Hans-Böckler-Stiftung

Rhön- u. Saalepost vom 02.06.2025, S. 7 (Tageszeitung / täglich außer Sonntag, Bad Neustadt/Saale)

        
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Satelliten statt Stoßdämpfer

Die Schweinfurter Maschinen- und Automobilzulieferer stehen unter Druck und müssen neue Geschäftsfelder erschließen. Warum das Weltall Potenziale bieten könnte.

Von Marcel Jan Dinkel

Schweinfurt/Würzburg Die Umstellung auf Elektromobilität kommt zu spät, der Wettbewerb verschärft sich: Seit Monaten kämpfen die deutschen Autobauer mit einer Krise. Besonders hart trifft es Schweinfurts große Zulieferer. Ihnen bleiben Aufträge aus, während gleichzeitig die Standortkosten aufgrund hoher Energiepreise zuletzt gestiegen sind. Bis Ende des Jahrzehnts sollen in den großen Werken von ZF und Schaeffler mehrere Hundert Arbeitsplätze wegfallen. Trotz der angespannten Lage gibt es einen Lichtblick – und der kommt ausgerechnet aus dem Orbit.

Forschende des Zentrums für Telematik (ZfT) Würzburg und des Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) München sehen in der Raumfahrt Chancen für die angeschlagene Zulieferindustrie. Zusammen mit Betriebsräten, IG-Metall-Gewerkschaftern und Spezialisten großer regionaler Betriebe untersuchten sie in einem Workshop, wie sich deren Know-how auf neue Märkte übertragen lässt. Dabei entdeckten sie, so die Gewerkschaft in einer Mitteilung, großes Potenzial.

Schnittmengen in der Mechatronik

Demnach bietet der Raumfahrt-sektor Marktchancen für Quereinsteiger, beispielsweise in der Satellitenkommunikation, die dabei hilft, auch abgelegene Gebiete zu erreichen und wo deren Ausbau am Boden wirtschaftlich nicht rentabel ist. Derartige Anwendungen können einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und digitalen Teilhabe leisten.

Professor Klaus Schilling vom Zentrum für Telematik (ZfT) sieht viele Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit. In der Raumfahrt gebe es zunehmend technologische Überschneidungen mit etablierten Industrien wie dem Automobilsektor und dem Maschinenbau. Diese betreffen Bereiche wie Leichtbau, Mechatronik, Präzisionsfertigung sowie Test- und Qualitätssicherungssysteme. "Das eröffnet neue Märkte und Marktteilnehmer, sowie hervorragende Chancen für Zusammenarbeit und Technologietransfer", so der Wissenschaftler.

Ein Trend, an den die lokale Industrie anknüpfen könnte. Laut Alexander Ziegler vom ISF München beherrschten die Unternehmen der Region die Entwicklung und Serienfertigung hochwertiger Industriegüter. Eine Stärke, die Start-ups und Innovatoren aus der Zukunftsbranchen oft fehlten. "Eine große Chance für die Region besteht darin, diese Kompetenzen zu bündeln und die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Akteuren aus Zukunftsfeldern zu fördern", so der Soziologe. Dazu passt, dass die neue Bundesregierung verstärkt in Forschung und Zukunftstechnologien investieren will.

In den letzten Jahren ist in Unterfranken rund um das ZfT ein Raumfahrt-Ökosystem entstanden. Hochschulen, Start-ups und Firmen arbeiten hier aktiv an der industriellen Erschließung dieses Zukunftsmarkts und suchen gezielt Partnerschaften mit Unternehmen. Initiiert wurde die Veranstaltung über das Netzwerk der IG Metall Schweinfurt. "Wir verstehen uns nicht nur als Interessenvertretung, sondern auch als Ideengeber für eine starke industrielle Zukunft in unserer Region", so Thomas Höhn, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Schweinfurt.

Der Workshop habe gezeigt, welches Potenzial in der Verbindung von Raumfahrttechnologie und heimischer Industrie stecken kann – und wie wichtig es ist, gemeinsam neue Wege zu denken." Insgesamt sechs Betriebe, die zusammengenommen mehr als 20.000 Arbeitsplätze in der Region stellen, nutzten diese Möglichkeiten.

Regionalstudie wird Ende November veröffentlicht

Die Veranstaltung war Teil des gewerkschaftlichen Projekts "RegioTrans-MR". Es zielt darauf ab, Perspektiven für die Industrieregion Main-Rhön mit einem sozialpartnerschaftlichen Ansatz zu entwickeln. Geleitet wird es vom ISF München, welches darin mit der IG Metall Schweinfurt kooperiert. Die Gelder stammen aus Mitteln der Hans-Böckler-Stiftung. Ergebnisse der Regionalstudie sollen Ende November 2025 in Schweinfurt vorgestellt werden.