Prof. Dr. Nida-Rümelin |
"Kein Verrat, sondern ein Warnsignal" Augsburger Allgemeine (Tageszeitung) vom 08.05.2025, S. 19 ● Auch in: Aichacher Nachrichten • Allgäuer Anzeigeblatt • Allgäuer Zeitung - Füssener Blatt • Allgäuer Zeitung Kaufbeuren mit Buchloer Zeitung • Allgäuer Zeitung Kempten • Allgäuer Zeitung Marktoberdorf • Augsburger Allgemeine (Land Nord) • Augsburger Allgemeine (Land West) • Bayerische Rundschau • Bote vom Haßgau + 39 weitere Quellen » Friedrich Merz ist Kanzler, aber die Wahl war holprig. Philosoph Julian Nida-Rümelin spricht über die moralische Verantwortung der Abgeordneten, die Folgen und die Gefahren für die Demokratie. |
Nida-Rümelin über Wolfram Weimer: "Bin nicht beunruhigt" BR / BR24 Online am 08.05.2025 Der neue Kulturstaatsminister und Ex-Verleger Wolfram Weimer sorgt wegen seines kantigen Profils als Konservativer für Aufruhr. Amtsvorgänger Julian Nida-Rümelin hält die Kritik für verfrüht - und teilt Bedenken gegen die deutsche Nationalhymne. |
"Nachdenken über Deutschland" aus Sicht eines Philosophen Westfalen-Blatt, Bad Driburg und Brakel (Tageszeitung) vom 06.05.2025 ● Auch in: Westfalen Blatt Online Es waren schon einige prominente Redner vor ihm in Corvey, um zum Thema "Nachdenken über Deutschland" eine Mairede zu halten – aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Aber Professor Julian Nida-Rümelin gelang es, die Welt neu in den Blick zu nehmen. |
Stadt Höxter ehrt Professor mit Ehrenpreis Westfalen-Blatt, Bad Driburg und Brakel (Tageszeitung) vom 05.05.2025 Julian Nida-Rümelin hält vor großem Publikum in Corvey bemerkenswerte Hoffmann-von-Fallersleben-Rede. |
Neue Westfälische, Höxtersche Kreiszeitung (Tageszeitung) vom 05.05.2025, S. 10 ● Auch in: Neue Westfälische - Kreiszeitung für Warburg • Neue Westfälische Online Volles Haus bei der Fallersleben-Rede mit Ex-Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin in Corvey. Der nennt den Dichter des Deutschlandliedes einen "Popstar" und warnt vor einer "gefährlichen Melange". |
Besondere Ehrung für einen "Denker von Weltformat" Täglicher Anzeiger (Tageszeitung) vom 07.05.2025, S. 15 ● Auch in: OWZ zum Sonntag online Der renommierte Philosoph Julian Nida-Rümelin ist mit dem Fallersleben-Preis ausgezeichnet worden. Höxters Bürgermeister würdigte den Preisträger als "Denker von Weltformat" - und dieser warnte in seiner Dankesrede vor einer "gefährlichen Melange". |
Julian Nida-Rümelin zur Kanzlerwahl: "Man wird wohl nie erfahren, wer die Abweichler waren" Augsburger Allgemeine Online am 07.05.2025 Friedrich Merz ist Kanzler, aber die Wahl war holprig. Philosoph Julian Nida-Rümelin über die moralische Verantwortung der Abgeordneten und Merz als tragische Figur. |
Wechsel im Spitzenjob Neuer Amtschef für Kulturstaatsminister Weimer Welt Online am 07.05.2025 Sein Vorgänger Görgen ist auch Jurist, war schon einmal unter Julian Nida-Rümelin Referent beim BKM, war dann für Frank-Walter Steinmeier (SPD) als Referent im Auswärtigen Amt tätig, wo er später auch die Abteilung Kultur und Kommunikation leitete. |
Im Paradies braucht niemand den linken Kulturkampf WELT+ (Internet-Publikation) am 08.05.2025 Seit der Einführung des Postens war er meistens im Schatten der großen Politik, die Staatsminister waren mal blass wie Frau Grütters und mal konziliant wie Herr Nida-Rümelin. |
Süddeutsche Zeitung Online am 05.05.2025 Damit übernimmt das Amt ein Mann, der kein Insider des Berliner Politikbetriebs ist. Das allerdings hat Weimer mit mehreren seiner Vorgängerinnen und Vorgänger gemeinsam - zu ihnen gehören der Verleger Michael Naumann, der Philosoph Julian Nida-Rümelin und die Journalistin Christina Weiss. Die Entscheidung hat sehr viel Kritik bei Kulturschaffenden ausgelöst. |
Verfassungsschutz erklärt Verfassung für verfassungswidrig Tichys Einblick Online am 07.05.2025 Der ehemalige SPD-Staatsminister und Philosoph Julian Nida-Rümelin hält die kollektive demokratische Selbstbestimmung sogar für ein Menschenrecht. |
Bayerische Staatszeitung (Wochenzeitung) vom 09.05.2025, S. 1 ● Auch in: Bayerische Staatszeitung Online Riester war da immerhin schon Mitglied im SPD-Bundesvorstand. Mit der Riester-Rente hat der Schwabe dann einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Auch Schröders zweite Außenbesetzung, die Ernennung von Julian Nida-Rümelin zum Kulturstaatsminister, funktionierte damals. |
Verfassungsschutz erklärt Verfassung für rechtsextrem civil.de am 09.05.2025 ● Auch in: reitschuster.de Ex Kultur-Staatsminister Julian Nida-Rümelin, ebenfalls SPD, nennt das demokratische Selbstbestimmungsrecht sogar ein Menschenrecht: Die Bürger müssen über das Wer, Wie und Ob von Migration diskutieren dürfen - offen, kontrovers, angstfrei. |
Der Verfassungsschutz erklärt die Verfassung für verfassungswidrig - geht's noch? Schwäbische Zeitung Online am 07.05.2025 ● Auch in: Nordkurier Online Der demokratische Nationalstaat stützt sich auf das demokratische Selbstbestimmungsrecht der Nation. Gemeint ist damit das kollektive Recht der Nation, über die eigenen Verhältnisse und das eigene Schicksal selbst zu entscheiden. Dieses Recht wird durch das Prinzip der Volkssouveränität und das Demokratieprinzip abgesichert. Der ehemalige SPD-Staatsminister und Philosoph Julian Nida-Rümelin hält die kollektive demokratische Selbstbestimmung sogar für ein Menschenrecht. |
Humanistische Themen |
Jugendweihe-Feiern in Berlin begonnen - Gysi dabei (Foto aktuell) dpa-Landesdienst Berlin/Brandenburg (Nachrichtenagentur) 03.05.2025 Aufgeregte Jugendliche, stolze Eltern, Musik und feierliche Momente: Hunderte Jugendliche feiern in den nächsten Wochen in Berlin und Brandenburg ihre Jugendweihe. Zum Auftakt kam am Samstag der Linken-Politiker Gregor Gysi ins FEZ-Berlin. |
Feierstunde selbst organisiert Mitteldeutsche Zeitung, Bernburg (Tageszeitung) vom 08.05.2025, S. 14 Erstmals nach der Wende findet in Alsleben eine Jugendweihe statt. Warum die Eltern die Initiative ergriffen haben und wie der feierliche Akt zelebriert wurde. |
Feier mit Taschentuch-Garantie Mitteldeutsche Zeitung, Jessen (Tageszeitung) vom 08.05.2025, S. 17 In Bad Schmiedeberg haben sich Eltern gegen offizielle Jugendweihe in Wittenberg entschieden und eigenen "Teenday" organisiert. Die Feier soll persönlicher und familiärer sein. Was geplant ist. |
Konfessionsfreie Organisationen und Kirchen |
Berliner Erzbischof Koch erfreut über neuen Papst T-Online.de am 09.05.2025 Die katholische Kirche in Berlin blickt zuversichtlich auf das neue Pontifikat. Erzbischof Koch zeigt sich vom neuen Papst beeindruckt. |
Deutschlandfunk Online am 04.05.2025 Berlins evangelischer Bischof Stäblein hat nach dem mutmaßlich rassistischen Angriff auf den Ehemann einer Pfarrerin zur Solidarität mit der Familie aufgerufen. |
Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (Internet-Publikation) am 05.05.2025 Anlässlich dieses Jahrestags der Befreiung vom Nationalsozialismus münden zahlreiche Veranstaltungen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) in einen zentralen ökumenischen Gedenkgottesdienst. |
Von der Kanzel ins Ministerium: Bischöfin Bahr wechselt nach Berlin NDR Online am 08.05.2025 Die hannoversche Regionalbischöfin Petra Bahr wird Staatssekretärin im Familienministerium von Ministerin Karin Prien (CDU). Das teilte die evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover am Mittwoch mit. |
epd Landesdienste (Nachrichtenagentur) 07.05.2025 Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) bekommt im Mai 18 neue Pfarrerinnen und Pfarrer. Dazu sind drei Ordinationsgottesdienste geplant, mit denen die acht Frauen und zehn Männer von Bischof Christian Stäblein in den Pfarrdienst eingeführt werden, wie die Landeskirche am Mittwoch in Berlin mitteilte. |
Prof. Dr. Nida-Rümelin |
Augsburger Allgemeine (Tageszeitung) vom 08.05.2025, S. 19 |
Friedrich Merz ist Kanzler, aber die Wahl war holprig. Philosoph Julian Nida-Rümelin spricht über die moralische Verantwortung der Abgeordneten, die Folgen und die Gefahren für die Demokratie.
Herr Nida-Rümelin, noch nie zuvor ist ein Kanzler im ersten Wahlgang gescheitert. Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie das gehört haben?
Nida-Rümelin: Es war ungewöhnlich, ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik, aber auch keine Katastrophe. Der zweite Wahlgang ist klar ausgefallen. Wäre Friedrich Merz erst beim dritten Anlauf mit relativer Mehrheit gewählt worden, wäre das ein riskantes Spiel gewesen, denn dann hätte er als Bundeskanzler nicht das Vertrauen der beiden Koalitionsfraktionen gehabt. Wir brauchen eine starke, geeinte Regierung, insofern war das ein ungünstiger Start.
Hatten Sie das kommen sehen?
Nida-Rümelin: Nein, aber es fiel auch nicht aus heiterem Himmel. Merz hat in den letzten Monaten äußerst ungeschickt agiert. Neben einigen Äußerung war sein Versuch, mit der AfD eine neue Migrationspolitik im Bundestag durchzusetzen, ein Paukenschlag, der hochgefährlich war und die falschen Signale gab. Auch die SPD hat einen Wahlkampf gegen Merz geführt, der der Sachlage nicht gerecht wurde, da auch während des Wahlkampfes absehbar war, dass die SPD mit der Union koalieren wird.
Würden Sie die Abstimmung aus philosophischer Sicht als Verrat bezeichnen?
Nida-Rümelin: Nein, hinter Verrat stecken boshafte Absichten. Wenn mit dem Ergebnis festgestanden hätte, dass es nicht zu einer Regierungsbildung kommt und dies allen Fraktionsmitgliedern bewusst gewesen wäre, die gegen Merz gestimmt haben, und sie damit eine Staatskrise auslösen wollten, hätte man von Verrat sprechen können. Aber ich gehe davon aus, dass niemand solche Absichten verfolgt hat.
Was waren dann die Absichten?
Nida-Rümelin: Die Abgeordneten wollten vermutlich ein Warnsignal setzen und sind davon ausgegangen, dass fast alle anderen schon zustimmen werden. Inhaltliche Differenzen oder die Tändelei mit der AfD vor den Koalitionsverhandlungen mögen eine Rolle gespielt haben. Einige Unionsmitglieder mögen persönliche Motive gehabt haben, weil sie gern einen anderen Kandidaten an der Spitze gehabt hätten. Aber er führte den Wahlkampf und wurde zum Parteivorsitzenden gewählt.
Hatten die Fraktionsmitglieder nicht auch eine moralische Verantwortung, direkt für Merz zu stimmen?
Nida-Rümelin: Die Wahl ist rechtlich regelkonform verlaufen, politikethisch nicht. Denn die Fraktionsmitglieder hatten sich auf Merz festgelegt, niemand hatte in den Sitzungen vorher seine Stimme gegen ihn erhoben. Insofern haben Mitglieder der Koalition nicht wahrhaftig agiert. Nach der Verfassung sind die Abgeordneten nur ihrem Gewissen verpflichtet, aber die Handlungsfähigkeit der Fraktionen hängt von ihrer Geschlossenheit ab.
Aber eine Wahl ist immer auch ein Wagnis?
Nida-Rümelin: Eine politische Entscheidung wird nicht dadurch legitimiert, dass sie auf inhaltlichem Konsens beruht, sondern dass sie aufgrund bestimmter Regeln der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung zustande gekommen ist. In diesem Spannungsverhältnis bewegen sich Politikerinnen und Politiker immer. Einerseits sind sie den Regeln verpflichtet, andererseits möchten sie aus inhaltlichen Gründen diesen im Einzelfall nicht immer folgen. Das haben wir jetzt gesehen.
Sollte man ihnen verzeihen?
Nida-Rümelin: Man wird wohl nie erfahren, wer die Abweichler waren. Die Fraktionen sind gut beraten, jetzt nicht auf die Suche nach den Missetätern zu gehen oder sie zu diskreditieren. Das sind gefährliche Spielchen, die den demokratischen Prozess nur weiter destabilisieren.
Für Merz war die Abstimmung eine Demütigung. Wird er sich davon erholen?
Nida-Rümelin: Warten wir mal, was daraus erwächst. Es gibt manchmal paradoxe Entwicklungen in der Politik beispielsweise das Phänomen, dass Regierungskoalitionen mit knapper Mehrheit manchmal stabiler sind als solche mit üppiger Mehrheit. Denn bei knapper Mehrheit muss jeder Einzelne sein Handeln stärker hinterfragen und steht mehr in der Verantwortung. Konrad Adenauer wurde mit nur einer Stimme Mehrheit zum Kanzler gewählt, er bildete dann aber eine sehr stabile Regierung. Ich kann mir vorstellen, dass wir diesen Effekt auch jetzt sehen werden. Alle sind sich der Unzufriedenheiten innerhalb der Fraktionen bewusst und werden im besten Fall versuchen, das nicht noch zu verstärken.
Ist Merz eine tragische Figur?
Nida-Rümelin: Merz hat einiges hinter sich, er kandidierte zweimal vergeblich als Parteivorsitzender und erlebte die größte Demütigung unter Merkel. Wäre seine Kanzlerschaft jetzt gescheitert, hätte er langsam zur tragischen Figur werden können. Aber denkt man an die antiken Tragödien, muss man eine gewisse Fallhöhe erreichen, um wirklich zur tragischen Figur zu werden. Die muss sich Merz erst mal erarbeiten.
Kann Merz Respekt und Vertrauen zurückgewinnen?
Nida-Rümelin: Er ist ein guter Rhetoriker, kann frei reden und spitzt gerne zu. In den letzten Wochen hat er sich extrem zurückgehalten, was ungewöhnlich war. Ihm war offenbar bewusst, dass er als Bundeskanzler anders auftreten und mit der SPD koalieren muss. Das heißt auch, dass er seine anti-sozialdemokratischen Affekte in den Griff bekommen muss. Ich kann mir vorstellen, dass er umso mehr versuchen wird, seriös zu regieren und sein etwas lockeres Mundwerk im Zaum zu halten.
Sie sind also hoffnungsvoll, was die künftige Regierung angeht?
Nida-Rümelin: Für die Demokratie muss man immer hoffen. Man muss Merz nicht mögen und seine politischen Positionen nicht unterstützen. Aber würde diese Kanzlerschaft scheitern, hätte das destabilisierende Folgen für die Demokratie. Niemand, der vernünftig denkt, kann das wollen.
Interview: Felicitas Lachmayr
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BR / BR24 Online am 08.05.2025 |
Julian Nida-Rümelin
Der neue Kulturstaatsminister und Ex-Verleger Wolfram Weimer sorgt wegen seines kantigen Profils als Konservativer für Aufruhr. Amtsvorgänger Julian Nida-Rümelin hält die Kritik für verfrüht - und teilt Bedenken gegen die deutsche Nationalhymne.
"Will unser neuer Kulturstaatsminister die Nationalhymne ändern?" fragte sich [externer Link] und spielte damit auf einen Artikel von Wolfram Weimer [externer Link], wonach der Dichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874) ein "geifernder Nationalist" sei.
In der Traditionslinie der Hymne gebe es "gewaltige Untiefen", so Weimer damals: "Am übelsten aber ist sein Antisemitismus. Hoffmann von Fallersleben war von einem tief sitzenden Judenhass geprägt. Der entlud sich nicht bloß gegen jüdische Dichterkollegen wie Heine oder Börne. (...) Wenn Fallersleben also von Einigkeit und Recht und Freiheit schrieb, meinte er in Wahrheit eine judenfreie Einigkeit."
Online-Petition gegen Weimer
Gleichwohl betonte Weimer jetzt gegenüber der "Bild"-Zeitung: "Eine Änderung der Nationalhymne steht nicht auf meiner Agenda." Der Gedanke sei "absurd". Seine streitbaren Artikel sorgten in der Kulturszene dennoch für viel Widerspruch, eine [externer Link] darstellender Künstler gegen seine Berufung zum Kulturstaatsminister unterschrieben innerhalb von zwei Tagen 26.000 Personen.
"Wolfram Weimer ist nicht geeignet für dieses zentrale Amt der Kulturpolitik. Er ist ein konservativer Publizist und Verleger, der bislang kaum als Kulturmensch in Erscheinung getreten ist", heißt es dort. Und weiter: "Wir können uns nicht vorstellen, wie Wolfram Weimer die nächste Documenta eröffnet, sich glaubhaft für Chöre im ländlichen Raum oder für Kulturinitiativen in sozialen Brennpunkten einsetzt."
Nida-Rümelin: "Nicht die ideale Nationalhymne"
Zumindest die Kritik an Hoffmann von Fallersleben kann Julian Nida-Rümelin, der von Januar 2001 bis Oktober 2002 Kulturstaatsminister im Kabinett von Gerhard Schröder war, teilweise nachvollziehen. Das ist insofern bemerkenswert, als Nida-Rümelin den diesjährigen Fallersleben-Preis der Stadt Höxter [externer Link]: "Ich würde schon sagen, wenn man sich die erste und zweite Strophe der Nationalhymne anschaut, dass es nicht die ideale Nationalhymne ist", so Nida-Rümelin gegenüber dem BR.
Hoffmann von Fallersleben habe das "Pathos der Befreiung" sehr stark auf die Befreiung der deutschen Nation gegenüber Frankreich ausgerichtet: "Er war ja nicht gerade frankreichfreundlich, sondern stand der französischen Kultur fast feindselig gegenüber. Trotzdem soll man jetzt nicht alles, was aus der damaligen Zeit entstanden ist, in den Schmutz ziehen. Nur weil es bei Immanuel Kant Passagen gibt, die man rassistisch interpretieren kann, ist nicht Kant als Ganzes obsolet oder gar die Aufklärung, der Universalismus und der Humanismus, und das gilt auch für Hoffmann von Fallersleben."
"Hoffentlich kein neukonservativer Ideologe"
Das teils harsche Urteil mancher Kulturschaffender und Journalisten über Wolfram Weimer teilt Nida-Rümelin nicht: "Ich bin nicht beunruhigt. Ich würde sagen, man kehrt gewissermaßen zu den Anfängen dieses Amtes zurück, weil der erste Inhaber [Michael Naumann] ebenfalls Journalist und Verleger war, wie auch Weimer. Beide haben einen intellektuellen Hintergrund, bei Weimer sind es sehr nachdenkliche Äußerungen und Publikationen, die man inhaltlich nicht teilen muss."
Nida-Rümelin will abwarten, wie sich Weimer in der Praxis bewährt: "Er wird sich hoffentlich nicht in erster Linie als Ideologe einer neukonservativen Wende gerieren." Es sei wenig hilfreich, ihm "von vorneherein Knüppel zwischen die Beine" zu werfen.
"Man kann nicht nur drüber schweben"
So glamourös, wie es sich manche vorstellen, ist das Amt womöglich gar nicht. Nida-Rümelin verweist darauf, dass Kulturpolitik auf Bundesebene seiner Erfahrung nach nur eine Nebenrolle spiele: "Man kann nicht nur drüber schweben und schöne Reden halten. Solche Reden sind wichtig, auch das Gespräch und die intellektuellen Impulse, wenn sie den kommen, aber man muss sich in die kulturpolitische Kärrnerarbeit reinbegeben, sich da sehr hineinarbeiten, weil man die Zusammenhänge erst mal gar nicht erkennt, was da im Hintergrund los ist, um dann die richtigen Weichenvorstellungen vorzunehmen."
Ein Beispiel dafür sei die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit ihrer verschachtelten Struktur. Es gehe insgesamt um tausende von Mitarbeitern: "Der Kulturstaatsminister ist Chef einer obersten Bundesbehörde, die größer ist als die kleineren Ministerien. Deshalb habe ich immer gesagt, irgendwann muss der Reifegrad erreicht sein, wo das ein eigenes Ministerium wird."
Westfalen-Blatt, Bad Driburg und Brakel (Tageszeitung) vom 06.05.2025 |
Julian Nida-Rümelin aus München brilliert mit seiner freien Rede in Corvey
Höxter(WB). Es waren schon einige prominente Redner vor ihm in Corvey, um zum Thema "Nachdenken über Deutschland" eine Mairede zu halten – aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Aber Professor Julian Nida-Rümelin gelang es, die Welt neu in den Blick zu nehmen.
Zumindest ist der ehemalige Kulturreferent der Landeshauptstadt München und spätere Kulturstaatsminister im ersten Kabinett von Schröder auf spannende Zusammenhänge rund um Themen wie Nation, Republik, Freiheit und Demokratie eingegangen.
Im Kaisersaal von Corvey hielt der bedeutende Philosoph aus München, Professor Julian Nida-Rümelin, eine vielbeachtete Hoffmann-von-Fallersleben-Rede am ersten Sonntag im Mai.
In seiner freien Rede wollte Julian Nida-Rümelin im Corveyer Kaisersaal auf jeden Fall als leidenschaftlicher Philosoph wichtige Ereignisse wie den Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) als auch die aktuellen Ereignisse in der Ukraine näher beleuchten und einstufen.
Sein bisheriges Lebenswerk beeindruckt: Julian Nida-Rümelin studierte nicht nur Philosophie, sondern auch Physik, Mathematik und Politikwissenschaft in München und Tübingen. Nach der Promotion und Habilitation in Philosophie und einer Gastprofessur in den USA übernahm er 1991 einen Stiftungslehrstuhl für Ethik in Biowissenschaften an der Universität Tübingen.
Bestgelaunt zeigten sich die Verantwortlichen bei der traditionellen Mai-Veranstaltung in Corvey, die hervorragend besucht war (von rechts): Viktor Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey (Hausherr), Gastredner Professor Dr. Dr. h.c. Julian Nida-Rümelin, Ina Kreimer (Vorstandsmitglied der Verbund-Volksbank OWL), Bürgermeister Daniel Hartmann und Organistor Dr. Michael Stoltz (Sprecher des Arbeitskreises im HVV).
Ab 1993 gab er sein Wissen (Lehrstuhl für Philosophie) an junge Studenten in Göttingen weiter. Für fünf Jahre (ab 1998) wechselte er zwischenzeitlich in die deutsche Kulturpolitik. Schließlich lehrte bis zu seiner Emeritierung 2020 Philosophie und politische Theorie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
Höxters Bürgermeister Daniel Hartmann lobte den prominenten Redner, der immer wieder auch in TV-Sendungen ein gefragter Gesprächspartner ist, für dessen geistreichen Vortrag. Das Format in der 21. Auflage lebe von dem Anspruch, "unser Land und unsere Gesellschaft kritisch, klug und zukunftsgewandt zu betrachten", so Hartmann.
Diesen Anspruch habe Professor Julian Nida-Rümelin in herausragender Weise Rechnung getragen. Der erste Vertreter der Stadt Höxter betonte: "Ihre Gedanken zur Verantwortung in der Demokratie, zum Verhältnis von individueller Freiheit und gesellschaftlicher Vernunft, aber auch Ihre Einordnung aktueller Debatten in ein philosophisches Fundament – das alles war zutiefst ermutigend!"
Plädoyer für Mäßigung und Humanität
Die 21. Hoffmann-von-Fallersleben-Rede sei ein starkes Plädoyer für Mäßigung und Humanität, für Aufklärung statt Empörung, für Verantwortungsethik statt Selbstgerechtigkeit. Dieser Denkansatz stehe ganz im Sinne Hoffmanns. Hartmann: "Auch August Heinrich Hoffmann von Fallersleben war nicht nur Dichter und Autor, sondern ein politisch denkender Mensch, der sich mit Leidenschaft und Mut für Freiheit, Bildung und eine bessere Gesellschaft einsetzte."
Der 70-jährige Julian Nida-Rümelin habe das Publikum im festlichen Kaisersaal von Corvey mitgenommen auf eine gedankliche Weltreise – bis hin zu einem Deutschland, das seiner Verantwortung in Europa und der Welt gerecht werde, "ohne sich selbst zu verlieren".
Der Dichter des Deutschlandliedes und vieler Kinderlieder, August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, wirkte von 1860 bis zu seinem Tod 1874 als Bibliothekar des Herzogs in Corvey.
Im Gedenken an seinen Amtsantritt am 1. Mai 1860 laden jedes Jahr der Heimat- und Verkehrsverein Höxter, die Stadt, der Kreis und das Herzogliche Haus prominente Persönlichkeiten zur Mairede ein.
Zu den letzten 20 Rednerinnen und Redner gehörten beispielsweise der ehemalige Bundespräsident Professor Dr. Roman Herzog, die frühere Präsidentin des Deutschen Bundestages, Professor Dr. Rita Süssmuth, als auch der Liedermacher Wolf Biermann und der katholische Theologe Professor Dr. Hubert Wolf.
Der Mediziner Dr. Michael Stoltz aus Höxter-Fürstenau, Sprecher des Hoffmann-von-Fallersleben-Arbeitskreises im HVV, freute sich daher, mit Julian Nida-Rümelin nun auch einen bedeutenden Philosophen für diese Veranstaltung (wie schon in 2024 zukünftig immer am ersten Sonntag im Mai und nicht wie bislang am 1. Mai) gewonnen zu haben. Julian Nida-Rümelin sei ein "Denker von Weltformat", hieß es am 4. Mai.
Hauptunterstützer der wichtigen Kulturveranstaltung in der Region ist in diesem Jahr erneut die Verbund-Volksbank OWL gewesen, die auch das Preisgeld in Höhe von 3000 Euro zur Verfügung stellte. Julian Nida-Rümelin gehört dem Vorstand der "Parmenides-Stiftung", die die Spende erhalten soll. Die Stiftung setzt sich für einen "digitalen Humanismus entgegen der Mainstream-Ideologie im Silicon Valley" ein.
Westfalen-Blatt, Bad Driburg und Brakel (Tageszeitung) vom 05.05.2025 |
Julian Nida-Rümelin hält vor großem Publikum in Corvey bemerkenswerte Hoffmann-von-Fallersleben-Rede
Höxter hai Der prächtige Kaisersaal in Corvey füllte sich am gestrigen Sonntagvormittag bis auf den letzten freien Platz. Das Interesse an dieser traditionellen Veranstaltung ist groß gewesen – denn anlässlich der nunmehr 21. Hofmann-von-Fallersleben-Rede konnte der Heimat- und Verkehrsverein Höxter einen sehr prominenten Redner wie profunden Geschichtskenner gewinnen.
Professor Dr. Dr. h.c Julian Nida-Rümelin aus München, ehemaliger Staatssekretär im Kanzleramt und Leiter der
Bundesbehörde als Beauftragter für Kultur und Medien, hielt eine kurzweilige wie facettenreiche, freie Rede zum Thema Demokratie, Nation und Freiheit.
Bürgermeister Daniel Hartmann überreichte ihm am Ende den Hoffmann-von Fallersleben-Preis mit Urkunde und das von der Verbund-Volksbank OWL-Stiftung zur Verfügung gestellte Preisgeld in Höhe von 3000 Euro, das der Redner wiederum für die gemeinnützige "Parmenides Stiftung" zur Verfügung stellen wird. Sie ist eine kooperierende Institution für Forschung, Lehre und Entwicklung. Auch trug sich der Ehrengast unter dem Beifall der Zuhörer in das "Goldene Buch" der Stadt Höxter ein.
Höxters Bürgermeister Daniel Hartmann zeichnet in Corvey Prof. Julian Nida-Rümelin (re.) aus.
Neue Westfälische, Höxtersche Kreiszeitung (Tageszeitung) vom 05.05.2025, S. 10 |
Volles Haus bei der Fallersleben-Rede mit Ex-Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin in Corvey. Der nennt den Dichter des Deutschlandliedes einen "Popstar" und warnt vor einer "gefährlichen Melange".
Höxter. Wie soll man eine Stunde Parforceritt durch Philosophie, Politik und Geschichte kurz in Worte fassen? Eine Stunde, die mit der Mahnung vor einer "gefährliche Melange" endete. Eine Stunde, in der Philosoph, Autor, Redner und Ex-Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümlein einen zeitlichen Bogen schlug vom 30-Jährigen Krieg bis zum Ukraine-Krieg in der Gegenwart. Von den Philosophen des 17. bis 21. Jahrhunderts. Von der Entwicklung von Staatlichkeit, Nationalismus und Patriotismus, von Menschenwürde, dem deutschen Grundgesetz und der Demokratie. Von der individuellen Freiheit und dem friedlichen Miteinander. Und mittendrin derjenige, dessen Denken und Tun von einst an diesem Tag zum Nachdenken und Tun von heute anregen sollte: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, nach dem diese Rede rund um den 1. Mai in Corvey benannt ist.
Volles Haus am Sonntag nach dem 1. Mai – dem neuen Datum der Rede – im Corveyer Kaisersaal: 180 Zuhörerinnen und Zuhörer applaudierten minutenlang dem 21. Fallersleben-Redner. Lange habe er nach einem Philosophen für diese Rede gesucht, so der Vorsitzende des Arbeitskreises im Heimat- und Verkehrsverein Höxter, Michael Stoltz. Nach einem "ungebundenen, freien Geist". Und ihn in dem Professor, ein studierter Philosoph und Naturwissenschaftler aus München sowie Gründer der Bundeskulturstiftung, Sozialdemokrat und Gründungsrektor der Humanistischen Hochschule Berlin, gefunden. Der sei zwar seit vier Jahren emeritiert, aber immer noch jemand, der sich einmische und über Parteigrenze hinaus geachtet sei. "Ein Denker von besonderem Format. Von Weltformat".
Und dieser Denker warnte einleitend in seiner komplett freien Rede augenzwinkernd sein Publikum: Es könne "streckenweise philosophisch" werden, er gehe auf "philosophische Tiefenbohrung". Aber der 70-Jährige sagte auch: Ohne diese Einladung nach Corvey hätte er sich nicht so intensiv mit Fallersleben befasst. "Ich habe dabei viel gelernt." Beim "Gedankenfutter", bei "Denkanstößen", beim "Nachdenken über Deutschland in einer Zeit, in der Demokratie in einer schwierigen Lage" sei. Rümelin ging auch auf Hoffmanns Lied der Deutschen ein, zu dem es mit Bertolt Brechts "Kinderhymne" einst einen Konkurrenten um den Titel Nationalhymne gegeben habe. Und das seltsamerweise auf die Melodie der Kaiserhymne gesungen werde: "Also genau das Gegenmodell."
Er war beeindruckt von der "Aura des Ensembles Corvey", nannte Fallersleben einen seriösen Wissenschaftler ebenso wie einen "Popstar" seiner Zeit. Dessen Bodenständigkeit – aus einer Gastwirte-Familie stammend – habe wohl mit dazu beigetragen, dass seine Texte bei den Menschen so beliebt und bekannt gewesen seien. Sein Einsatz für die Freiheit des Einzelnen sowie gegen die Kleinstaaterei habe ihn zu einem gleich doppelten Widerständler gemacht.
Vier Vordenker moderner Staatlichkeit, Philosophen wie er selbst, nannte Nida-Rümelin auf dem Weg zu dem, was Demokratie heute ausmache. Und verdeutlichte mit einem Schwenk auf die "prekäre Rückkehr des Nationalismus" dessen Folgen: Vom Ersten und Zweiten Weltkrieg über die Balkankriege (im Ursprung Nationalitätenkonflikte) bis zum Ukrainekrieg, wo nach dem Angriffskrieg Russlands ein starkes ukrainisches Nationalbewusstsein gewachsen sei. Der Gegenentwurf: die multikulturelle und multisprachliche Schweiz. "Das funktioniert ganz gut." Eine "gefährliche Melange" sei aktuell die Verbindung von Nationalismus, Liberalismus und Demokratie.
Eine friedliche Welt könne funktionieren, wenn individuelle Rechte, demokratische Pflichten und die Kooperationspflicht nach außen wie nach innen gleichermaßen gelten. Und die Begegnung im wechselseitigen Respekt – "unabhängig davon, wer ich bin, woher ich komme, welche Religion ich habe" – gelinge. "Wenn das nicht gelingt, wird es schwierig mit der Demokratie, wird es schwierig mit der Zukunft des Weltfriedens."
"Nicht nur geistreich, sondern zutiefst ermutigend" nannte Höxters Bürgermeister Daniel Hartmann die Worte Nida-Rümelins. In einer Zeit, "in der die demokratische Kultur unter Druck geraten" sei, habe der 70-Jährige ein Plädoyer für Mäßigung und Humanität, Verantwortung statt Selbstgerechtigkeit gesprochen. Bevor er Nida-Rümelin den Fallerleben-Preis – nicht mehr als Plakette, sondern als Urkunde und dotiert mit 3.000 Euro – überreichte, dankte er dem Redner: Es brauche Stimmen, die nicht mit Lautstärke und Schlagworten aufträten, sondern mit Argumenten und Substanz.
Täglicher Anzeiger (Tageszeitung) vom 07.05.2025, S. 15 |
Fallersleben-Rede in Corvey: Philosoph Julian Nida-Rümelin mit dem Fallersleben-Preis ausgezeichnet
Der renommierte Philosoph Julian Nida-Rümelin ist mit dem Fallersleben-Preis ausgezeichnet worden. Höxters Bürgermeister würdigte den Preisträger als "Denker von Weltformat" - und dieser warnte in seiner Dankesrede vor einer "gefährlichen Melange".
Jüngst fand wieder die Hoffmann-von Fallersleben Rede statt. Im festlich gefüllten Kaisersaal von Schloss Corvey wurde der renommierte Philosoph, Autor und frühere Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin mit dem Fallersleben-Preis der Stadt Höxter geehrt. Bürgermeister Daniel Hartmann überreichte die Auszeichnung, die in diesem Jahr erstmals in Form einer Urkunde verliehen wurde. Sie ist mit 3.000 Euro dotiert.
Nach der Begrüßung durch den Hausherrn Viktor Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey, stellte Dr. Stoltz vom Heimat- und Verkehrsverein den Redner vor. Der aus München stammende Professor Dr. Dr. Julian Nida-Rümelin lehrt Philosophie und politische Theorie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seine Arbeit verbindet ethische, politische und kulturphilosophische Fragestellungen, besonders zu Humanismus, Bildung und Verantwortung.
Nida-Rümelin warnt vor "gefährlicher Melange"
In seiner frei gehaltenen, hochaktuellen Rede spannte Nida-Rümelin einen eindrucksvollen Bogen von der Zeit Hoffmanns von Fallersleben bis in die Gegenwart - vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Ukrainekrieg. Er warnte vor einer "gefährlichen Melange" aus Nationalismus, Liberalismus und Demokratie und betonte: "Frieden und Demokratie können nur gelingen, wenn individuelle Rechte, demokratische Pflichten und internationale Kooperation zusammengedacht werden."
Bürgermeister Hartmann würdigte den Preisträger als "Denker von Weltformat": "Julian Nida-Rümelin hat mit leiser Stimme und großer inhaltlicher Tiefe gesprochen. In einer Zeit, in der Lautstärke oft Substanz verdrängt, war seine Rede ein starkes Plädoyer für Humanität, Verantwortung und Maß."
Die Veranstaltung wurde musikalisch begleitet von Schüler Dean Abich (Johannes-Brahms-Schule Detmold), am Klavier begleitet von Hans Hermann Jansen, sowie von Florian Stubenvoll (Metall-Klarinette) und Miroslav Grahovac (Banjan-Akkordeon).
Bürgermeister überreicht den Fallersleben-Preis
Im Anschluss an die Rede überreichte Höxters Bürgermeister Daniel Hartmann Prof. Dr. Dr. Julian Nida-Rümelin den Hoffmann von Fallersleben-Preis und bat ihn, sich in das goldene Buch der Stadt Höxter einzutragen. Die Auszeichnung, mit dem auch ein Geldpreis in Höhe von 3.000 Euro verbunden ist, wurde auf Anregung des Arbeitskreises Hoffmann-von-Fallersleben des Heimat- und Verkehrsvereins Höxter von der Volksbank Höxter, Zweigniederlassung der VerbundVolksbank OWL ausgelobt.
Die Erlöse der Veranstaltung werden auf Wunsch des Redners an die Parmenides Stiftung gespendet - eine gemeinnützige Organisation, die sich der Förderung des philosophischen Denkens und der Bildung junger Menschen widmet.
Augsburger Allgemeine Online am 07.05.2025 Julian Nida-Rümelin zur Kanzlerwahl: "Man wird wohl nie erfahren, wer die Abweichler waren" |
Friedrich Merz ist Kanzler, aber die Wahl war holprig. Philosoph Julian Nida-Rümelin über die moralische Verantwortung der Abgeordneten und Merz als tragische Figur.
Von Felicitas Lachmayr
Julian Nida-Rümelin, deutscher Philosoph und ehemaliger SPD-Kulturstaatsminister. Foto: Andreas Müller
Herr Nida-Rümelin, noch nie zuvor ist ein Kanzler im ersten Wahlgang gescheitert. Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie das gehört haben?
NIDA-RÜMELIN: Es war ungewöhnlich, ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik, aber auch keine Katastrophe. Der zweite Wahlgang ist klar ausgefallen. Wäre Friedrich Merz erst beim dritten Anlauf mit relativer Mehrheit gewählt worden, wäre das ein riskantes Spiel gewesen, denn dann hätte er als Bundeskanzler nicht das Vertrauen der beiden Koalitionsfraktionen gehabt. Wir brauchen eine starke, geeinte Regierung, insofern war das ein ungünstiger Start.
Hatten Sie das kommen sehen?
NIDA-RÜMELIN: Nein, aber es fiel auch nicht aus heiterem Himmel. Merz hat in den letzten Monaten äußert ungeschickt agiert. Neben einigen Äußerung war sein Versuch, mit der AfD eine neue Migrationspolitik im Bundestag durchzusetzen, ein Paukenschlag, der hochgefährlich war und die falschen Signale gab. Auch die SPD hat einen Wahlkampf gegen Merz geführt, der der Sachlage nicht gerecht wurde, da auch während des Wahlkampf absehbar war, dass die SPD mit der Union koalieren wird.
Würden Sie die Abstimmung aus philosophischer Sicht als Verrat bezeichnen?
NIDA-RÜMELIN: Nein, hinter Verrat stecken boshafte Absichten. Wenn mit dem Ergebnis festgestanden hätte, dass es nicht zu einer Regierungsbildung kommt und dies allen Fraktionsmitgliedern bewusst gewesen wäre, die gegen Merz gestimmt haben, und sie damit eine Staatskrise auslösen wollten, hätte man von Verrat sprechen können. Aber ich gehe davon aus, dass niemand solche Absichten verfolgt hat.
Was waren dann die Absichten?
NIDA-RÜMELIN: Die Abgeordneten wollten vermutlich ein Warnsignal setzen und sind davon ausgegangen, dass fast alle anderen schon zustimmen werden. Inhaltliche Differenzen oder die Tändelei mit der AfD vor den Koalitionsverhandlungen mögen eine Rolle gespielt haben. Einige Unionsmitglieder mögen persönliche Motive gehabt haben, weil sie gern einen anderen Kandidaten an der Spitze gehabt hätten. Aber er führte den Wahlkampf und wurde zum Parteivorsitzenden gewählt.
Hatten die Fraktionsmitglieder nicht auch eine moralische Verantwortung, direkt für Merz zu stimmen?
NIDA-RÜMELIN: Die Wahl ist rechtlich regelkonform verlaufen, politikethisch nicht. Denn die Fraktionsmitglieder hatten sich auf Merz festgelegt, niemand hatte in den Sitzungen vorher seine Stimme gegen ihn erhoben. Insofern haben Mitglieder der Koalition nicht wahrhaftig agiert. Nach der Verfassung sind die Abgeordneten nur ihrem Gewissen verpflichtet, aber die Handlungsfähigkeit der Fraktionen hängt von ihrer Geschlossenheit ab.
Aber eine Wahl ist immer auch ein Wagnis?
NIDA-RÜMELIN: Eine politische Entscheidung wird nicht dadurch legitimiert, dass sie auf inhaltlichem Konsens beruht, sondern dass sie aufgrund bestimmter Regeln der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung zustande gekommen ist. In diesem Spannungsverhältnis bewegen sich Politikerinnen und Politiker immer. Einerseits sind sie den Regeln verpflichtet, andererseits möchten sie aus inhaltlichen Gründen diesen im Einzelfall nicht immer folgen. Das haben wir jetzt gesehen.
Sollte man ihnen verzeihen?
NIDA-RÜMELIN: Man wird wohl nie erfahren, wer die Abweichler waren. Die Fraktionen sind gut beraten, jetzt nicht auf die Suche nach den Missetätern zu gehen oder sie zu diskreditieren. Das sind gefährliche Spielchen, die den demokratischen Prozess nur weiter destabilisieren.
Für Merz war die Abstimmung eine Demütigung. Wird er sich davon erholen?
NIDA-RÜMELIN: Warten wir mal, was daraus erwächst. Es gibt manchmal paradoxe Entwicklungen in der Politik beispielsweise das Phänomen, dass Regierungskoalitionen mit knapper Mehrheit manchmal stabiler sind als solche mit üppiger Mehrheit. Denn bei knapper Mehrheit muss jeder Einzelne sein Handeln stärker hinterfragen und steht mehr in der Verantwortung. Konrad Adenauer wurde mit nur einer Stimme Mehrheit zum Kanzler gewähl t, er bildete dann aber eine sehr stabile Regierung. Ich kann mir vorstellen, dass wir diesen Effekt auch jetzt sehen werden. Alle sind sich den Unzufriedenheiten innerhalb der Fraktionen bewusst und werden im besten Fall versuchen, das nicht noch zu verstärken.
Ist Merz eine tragische Figur?
NIDA-RÜMELIN: Merz hat einiges hinter sich, er kandidierte zweimal vergeblich als Parteivorsitzender und erlebte die größte Demütigung unter Merkel. Wäre seine Kanzlerschaft jetzt gescheitert, hätte er langsam zur tragischen Figur werden können. Aber denkt man an die antiken Tragödien, muss man eine gewisse Fallhöhe erreichen, um wirklich zur tragischen Figur zu werden. Die muss sich Merz erst mal erarbeiten.
Kann Merz Respekt und Vertrauen zurückgewinnen?
NIDA-RÜMELIN: Er ist ein guter Rhetoriker, kann frei reden und spitzt gerne zu. In den letzten Wochen hat er sich extrem zurückgehalten, was ungewöhnlich war. Ihm war offenbar bewusst, dass er als Bundeskanzler anders auftreten und mit der SPD koalieren muss. Das heißt auch, dass er seine anti-sozialdemokratischen Affekte in den Griff bekommen muss. Ich kann mir vorstellen, dass er umso mehr versuchen wird, seriös zu regieren und sein etwas lockeres Mundwerk im Zaum zu halten.
Sie sind also hoffnungsvoll, was die künftige Regierung angeht?
NIDA-RÜMELIN: Für die Demokratie muss man immer hoffen. Man muss Merz nicht mögen und seine politischen Positionen nicht unterstützen. Aber würde diese Kanzlerschaft scheitern, hätte das destabilisierende Folgen für die Demokratie. Niemand, der vernünftig denkt, kann das wollen.
Zur Person
Der Philosoph Julian Nida-Rümelin war bis 2020 Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie und politische Theorie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Als SPD-Mitglied war er Kulturstaatsminister unter Gerhard Schröder, er hat mehrere Bücher geschrieben und war bis 2024 stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrats.
Welt Online am 07.05.2025 Wechsel im Spitzenjob |
Unter dem neuen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer wird es einen neuen Amtschef in der Behörde geben. Der wichtigste Mann hinter Weimers Vorgängerin Claudia Roth verlässt den Posten.
Der Amtschef der bisherigen Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Grüne), Andreas Görgen, verlässt seinen Posten nach WELT-Informationen. Offiziell lautet der Jobtitel Ministerialdirektor bei der (oder jetzt wieder dem) Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM).
Obwohl Görgen dem Vernehmen nach weitermachen wollte, wird der Posten unter dem neuen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer an Konrad Schmidt-Werthern (bisher Ständiger Vertreter des Leitenden Beamten bei der BKM) vergeben. Eine Anfrage beantwortete die Pressestelle des BKM am Dienstag nicht. Die Personalie soll aber am Mittwoch verkündet werden.
Schmidt-Werthern kam als Abteilungsleiter Kultur in der Berliner Senatsverwaltung zum BKM, er war ein enger und wichtiger Mitarbeiter des bisherigen Kultursenators Joe Chialo (CDU), dem ebenfalls Chancen auf den Posten des Kulturstaatsminister eingeräumt worden waren. Er ist Jurist und hat im Kunstrecht promoviert.
Sein Vorgänger Görgen ist auch Jurist, war schon einmal unter Julian Nida-Rümelin Referent beim BKM, war dann für Frank-Walter Steinmeier (SPD) als Referent im Auswärtigen Amt tätig, wo er später auch die Abteilung Kultur und Kommunikation leitete. In der Amtszeit unter Claudia Roth wird der Documenta-Skandal im Jahr 2022 in Erinnerung bleiben – die antisemitischen Ausfälle in Kassel hätte auch Görgen kommen sehen müssen.
Es ist davon auszugehen, dass der neue Kulturstaatsminister Weimer sehr zeitig ein klares Signal gegen Antisemitismus setzen wird. Offenbar ist Weimers erster Gast im Kanzleramt, wo der BKM seinen Sitz hat, Josef Schuster sein, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte den parteilosen Wolfram Weimer in der vergangenen Woche überraschend für den Posten ausgesucht. Dafür hagelte es Kritik vor allem aus dem linken Kulturbetrieb, Weimer sei nicht ausreichend in der Szene vernetzt und betreibe eine „konservative Verengung“ , hieß es in einer Petition gegen seine Berufung.
Christian Meier ist WELT-Medienredakteur.
WELT+ (Internet-Publikation) am 08.05.2025 |
Friede, Freude, Weimerkuchen
Ach, wieviel hängt doch davon ab, in welche Zeit auch des besten Mannes Wirken fällt , sagte einmal Papst Hadrian VI., der ausgesprochener Gegner des klerikalen Pomps war, viele Künstler brotlos machte, die Bestechung am Vatikan bekämpfte und nach kurzem Pontifikat starb. Nie verstummten die Gerüchte, man hätte den Asketen anno 1523 ermordet. Seinen Tod bejubelte auch die Kulturszene, die auf neue, korrupte Gönner auf dem Stuhle Petri hofften, die den Kirchenzehnt der armen Gläubigen wieder in Orgien, sexuelle Ausschweifungen, willigen Metzen, leistungslosen Pfründen und Gemälden anlegten. Seitdem hat sich einiges geändert, denn der Kulturbetrieb wanderte von der Suche nach Geld anderer Leute vom schmutzigen Tiber an die dreckige Spree, und seit die Berliner Galerieszene an den Folgen von Corona und Ukrainekrieg eingegangen ist, gibt es dort praktisch keine Gemälde mehr. Den Rest gibt es noch. Aber nun ist Claudia Roth als Freundin und woker Schirmherrin allerlei progressiver Festivitäten im Kultur- und Medienbetrieb aus dem Amt geschieden, demokratisch übrigens und nicht durch Meuchelei, und das heißt:
Die Laune ist unter der S-Bahn wieder so schlecht wie nach dem Amtsantritt von Hadrian VI. Leute wie ich bekommen das unmittelbar zu spüren, denn lange hat sich diese Szene daran gewöhnt, ihre Meinungen apodiktisch verbreiten zu können. Was nicht passt, ist Sünde und muss weg, so galt das früher. Dummerweise ist es nun aber so, dass sich doch ein erheblicher Teil des Volks die Freiheit herausnimmt, ketzerisch etwas zu wählen, was der Kongregation des rechten linken Glaubens nicht behagt. So gibt es natürlich Ideen, wie man dero Unbotmäßigkeit im Keime erstickt: Christian Stöcker vom Sturmgeschütz der Hamburger Inquisition etwa fordert, keine Wahlumfragen mehr zu machen, die nur der AfD helfen und den Wählern den Eindruck vermitteln, sie seien nicht so allein, wie andere das gern hätten. In einer Art Wort zum Mediensonntag fordert Gilda Sahebi, Journalisten sollten eine Schulung bekommen, damit sie die Schwefelpartei so behandeln, wie sie das gern hätte. Und bei Bluesky hat man seitens der Volksverpetzer und ihrer Geißler erfolgreich eine ZDF-Mitarbeiterin vergrault, weil die sich partout nicht in ihre Arbeit hineinreden lassen wollte. Wie unzivilisiert, wirklich.
Es gab mal eine Zeit in Deutschland, da wurde so etwas auch versucht, unter dem Motto „Freihaltung des Schrifttums von ungeeigneten und unzuverlässigen Elementen“. Aber, wie oben schon erwähnt, wir haben einen Regierungswechsel und damit einen neuen Staatsminister für Kultur und Medien namens Wolfram Weimer. Nachdem dieses Blog auch dem schönen Leben am Tegernsee gewidmet ist, kann ich hier freimütig sagen, dass ich es natürlich begrüße, wenn einer der Unseren sich die Mühe antut, weniger glücklichen Regionen ein wenig von dem hiesigen Glanz zu überbringen. Ohne jede Frage ist der Tegernsee das absolute Gegenteil von Hamburg und Berlin, und das macht auch seinen Reiz aus. Gleich oberhalb meines typischen Badestrandes ist das herrlich gelegene Gut Kaltenbrunn, betrieben von Feinkost Käfer und bekannt aus so gut wie jeder CSU-Wahlwerbung. Da oben stehen sie dann und genießen den Blick über den See, der so weltenfern aller typischen deutschen Probleme ist: Keine marode Industrie, keine Armutsviertel, keine einstürzenden Brücken und Grüne in beträchtlicher Zahl nur, wenn Herr Weimer dort seinen Ludwig-Erhard-Gipfel abhält.
Übrigens nur ein paar Meter unter dem Privatbungalow von Ludwig Erhard. Generell glaube ich, dass die absurden Preise bei uns bezahlt werden, weil der See – es gibt hier nur den einen – genau so agfacolorig aussieht, als wäre mit der Kanzlerschaft Erhards die Zeit stehengeblieben. Also 1966. Zwei Jahre, bevor 68 losging und alle Probleme der Moderne. Wie auch immer, hier trifft sich also das, was man in den 90ern vielleicht als Mover und Shaker der Republik bezeichnet hätte, weil Herr Weimer sehr charmant sein soll. Und sie alle bekommt. Natürlich auch die Grünen! Nur die Linke, das BSW und die AfD lässt er bei seinem Gipfel als offene Plattform der breiten Mitte außen vor. Sowie natürlich alle, die nicht ganz geringe Eintrittspreise nicht bezahlen wollen. Eine gewisse Exklusivität bleibt damit gewahrt, die Atmosphäre soll diskret und freundschaftlich sein, und so fernab von Berlin und den Stäben lässt es sich am See ganz anders reden. Austausch statt Konfrontation, Verständigung statt Zwist, Nachdenken statt Vorwürfe: So sieht man sich dort gern. Generell muss es für einen Minister nichts Schlechtes sein, wenn man schon einmal bewiesen hat, dass man so eine Veranstaltung mit vielen Akteuren erfolgreich managen kann. Und ohne auf Leergut angewiesen zu sein.
So ist unsere Sicht am schönen Tegernsee, wo es die Tretboote wahlweise als Porsche oder Ferrari gibt und Ludwig Erhard zur vorzeigbaren Prominenz gehört. Wir haben auch nicht vorzeigbare Prominenz, Heinrich Himmler etwa, oder Hitlers Vermögensverwalter Amann, der „Röhm-Putsch“ war in Wiessee, und die Friedhöfe in Kreuth und Rottach sind voll mit Nazigenerälen. Das Problem beginnt, wie immer in Deutschland, mit der abweichenden Sicht in Restdeutschland: Dort arbeitet man sich seit Jahren an Erhard und seiner Rolle unter den Nazis ab, bringt ihn mit Verbrechen in Verbindung und lehnt mittlerweile jede Vorbildfunktion ab. Die Erhardbeschimpfung gehört zu den Ritualen linker Kreise, die es nicht verwinden, dass der Sozialismus verloren hat, die Freunde üble Judenhasser sind und die Methoden bis heute aus den Schreckenskammern totalitärer Regimes stammen. Praktischerweise kann sich Erhard in seinem Grab – fantastisch gelegen mit Traumblick über den See – nicht mehr wehren, und seit jeher zeichnet sich die deutsche Kultur- und Medienszene als Sophie Scholl vom Dienst gegen Tote und in von anderen geschlagenen Schlachten aus. Insofern war ich auch nicht überrascht, als Anton Rainer vom „Spiegel“ schrieb, man habe die Doktorarbeit des Veranstalters des Erhard-Gipfels und neuen Kulturministers Weimer schon auf Plagiate überprüft – allerdings ergebnislos.
Dem Ganzen vorausgegangen war gleich nach dem Bekanntwerden der Berufung ein höchst ungewöhnlicher Artikel in der FAZ. Sie wissen wahrscheinlich, diese Stützen der Gesellschaft hier stammen ursprünglich vom FAZ-Feuilleton unter Frank Schirrmacher, und dort gab es so eine Art Omerta, an die ich mich bis heute gebunden fühle. Ich kann Ihnen aber sagen, dass man dort früher über ehemalige Mitarbeiter des Hauses geschwiegen hätte, wenn sie einem nicht behagten – zumal Schirrmacher ebenfalls ein äußerst charmanter Netzwerkbauer war. Zumindest hätte sich Schirrmacher aber nicht zu einem Text herabgelassen, wie ihn sein Nachfolger Jürgen Kaube nun über den früheren FAZ-Autor Weimer verfasst hat: Der sei „der falsche Mann am falschen Platz“. Und zwar in diesem typischen „Es steht in der FpunktApunktZpunkt, also ist es gebildet, geprüft und ewig wahr“-Stil, der mich damals in seiner Arroganz so genervt hat, dass ich ab und zu Eingangszitate frei erfunden habe (Das dort oben stimmt aber). Wenn es in den ideologischen Kram passt, wirkt dieser Stil aber immer noch auf viele überzeugend, und so nahm ein Shitstorm seinen Anfang, in dem – wenig überraschend – die gleichen Gesichter*Innen auftauchten, die schon den geplanten „Titel Thesen Temperamente“-Moderator Mischke zu Fall gebracht hatten. Mit Petition und publicityfreudigem Erstunterzeichner.
Da sieht man recht schön die Unterschiede zwischen der erhofften kulturellen Hegemonie des woken Glaubens in Deutschland und dem abseits lebenden Rest. Bei uns am See und vermutlich auch sonst gilt Weimer als Vermittler zwischen Politik, Wirtschaft, Medien und Gesellschaft – vielleicht etwas konservativ und selbstbewusst, aber weltgewandt und keiner aus der rechten Ecke, die wir hier auch haben. Man soll doch froh sein, wenn jemand erfolgreich etwas auf die Beine stellt. Der kulturelle Betrieb dagegen stellt ihn neben einen Kopfsalat in der Hoffnung, er werde weniger lang im Amt halten, und ein möglicher Giftverabreicher fällt seinen Feinden auch schon ein. Das ist eigentlich ganz erstaunlich für ein Amt mit sehr begrenzter Wirkung: Kultur und Kulturetats sind vor allem Sache von Ländern und Gemeinden, die sich vom Bund nichts vorschreiben lassen müssen. Weimers Amt ist notwendig für die beim Bund verbliebenen Restbestände und einige Zusatzaufgaben, die beim Bund bleiben: Filmförderung, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Deutsche Welle, Bundesarchiv, Villa Massimo. Seit der Einführung des Postens war er meistens im Schatten der großen Politik, die Staatsminister waren mal blass wie Frau Grütters und mal konziliant wie Herr Nida-Rümelin.
Ideologisch aufgeladen wurde das Amt erst mit der letzten Chefin Claudia Roth von den Grünen. Für die Woken des Intersektionalismus, die den Kulturbereich seit jeher als eigene Domäne, um nicht zu sagen Trog betrachteten, war die Staatsministerin mit ihrem klar linken Profil und Verständnis für linke Israelkritik eine ideale Wahl. Für viele andere dagegen entstand – nicht immer durch direkte Schuld von Frau Roth, aber doch in Zusammenhang mit ihrem Wirken – der Eindruck, sie sei nicht die richtige Frau an der richtigen Stelle. So wie bei uns am Tegernsee das Böllerschießen zu jeder Prozession gehört, gehört bei den Linken der totale Bruch über Judentum und Antisemitismus zur Traditionspflege der gut gemeinten Herrschaftspraxis. Schon beim Skandal rund um antisemitische Bilder bei der Documenta agierte Roth so glücklos und unentschlossen, dass die „Jüdische Allgemeine“ ihren Rücktritt forderte. Spätestens nach ihrem Klatschen zu israelfeindlichen Aussagen bei der Berlinale wurde Roth zur Belastung für die Regierung. Roth’sche Ideen wie die Aufführung von „Hänsel und Gretel“ im Festspielhaus von Bayreuth waren auch eher – wie sagt man das höflich – interessant. Für die erkennbar anwachsende Welle des linken Antisemitismus mit seinen Hörsaalbesetzungen und Islamistenaufmärschen war Roth dennoch nicht woke genug, weshalb sich dann eine ganze Boykottbewegung mit internationaler Prominenz wie Judith Butler gründete. Sachen haben die da in Berlin, das kann man sich bei uns am Tegernsee gar nicht vorstellen.
Für glasklare Ansagen, brutale Konsequenzen und rote Linien gegenüber dem neuen Antisemitismus hat es bei Roth nicht gereicht – vermutlich, weil die Bewegung im urbanen Kulturbetrieb einfach zu stark geworden ist. Im Hass auf den Westen und Kolonialismus arbeitet man sich zusammen mit Islamisten an Israel ab, und es gibt keine Haltung, die allen Seiten auch nur ansatzweise behagen könnte. Man muss sich entscheiden, und genau das hat Weimer jetzt über die Klagen der Hamasversteher hinweg getan, indem er als erste Handlung Claudia Roths Intimus Görgen entließ und sich mit dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden traf. Man kann diesen Weg Kulturkampf nennen. Oder konservative Verengung. Und natürlich steht das auch der von vielen Selbstüberschätzern als unabdingbar gehaltenen Vernetzung von Weimer mit weiten Teilen des Kulturbetriebs im Weg.
Nur ist das ganz sicher nichts, was man am Tegernsee als nachteilig empfinden würde. Wissen Sie, früher galten all die Schauspieler und Künstler, die zu uns kamen, von Thomas Mann bis August Macke, von Joseph Stieler bis Leo Slezak, von Bert Brecht bis Gunter Sachs in den Tagen am See als ausgesprochen nette und auskömmliche Leute. Sogar der Jungsozialist Brecht hatte hier mehr Mädchen und Wohlleben im Kopf. Am Tegernsee ist man nicht, um brutale Gefechte bis zur letzten Patrone zu führen. Man orientiert sich an dem, was schicklich ist, und versucht, damit gut auszukommen. Wenn dabei randalierende Palästinenser und ihre deutschen Helfer hinten runterfallen, wenn sich Kulturbetriebler so lange dem Boykott hingeben, bis sie Flaschen sammeln müssen, wenn Radikale, die vier Wörter nacheinander setzen können, keine Lesungen und Buchmessen stören, ist das durchaus erfreulich, ohne dass man von Kulturkampf sprechen müsste. Welche Kultur soll das sein? Wolfram Weimer hat gleich am ersten Tag gezeigt, wo seine roten Linien sind. Jenseits der Berliner Ringbahn sind das gern akzeptierte, längst bekannte und durchaus geschätzte Grenzen. Es sind Selbstverständlichkeiten. Kulturkampf ist, was diese Grenzen absichtlich in Frage stellt und bekriegt. Natürlich wird das jetzt kommen.
Aber angesichts der Politprominenz, die sich mit Weimer am See mit Selfies und Blick auf den Wallberg verewigt hat, ist das vielleicht nicht der klügste Ansatz. Weimer hat seine Netzwerke schon etwas länger entwickelt, und dem aufmerksamen Beobachter könnte es auffallen, dass Klagen über seine ersten Schritte seitens der grünen Parteispitzen kaum hörbar waren. Die innige Liebe dieser Kulturszene zur Kontaktschuld, für die man nie rein genug sein kann, ist alles andere als einfach für linke Adabeis, die auch mal in den bequemen Sesseln von Kaltenbrunn ihre Sicht der Welt vor der Wirtschaftselite erklären wollten. Also vor Leuten, für die Kultur der Auftrag an einen Experten ist, mit einer einstelligen Millionensumme ein wenig Dekoration für Mitarbeiterbüros zu beschaffen. Oder vor Leuten, die alle zwei Monate im Beirat einer Kulturstiftung sitzen. So war das früher beim Founders Forum, falls es jemand noch kennt, so geht das immer weiter, und Friedrich Merz hat sich nun mal für einen Organisator entschieden, der es versteht, die breite Mitte hinter sich zu bringen. Wer dagegen ankämpft, wird auch gegen jene breiten Sessel in Kaltenbrunn kämpfen, auf dem die Mitte unsererDemokratie™ gern Platz nimmt.
Weit weg, in Berlin, dachten manche, ein paar aus dem Kontext gerissene Zitate, eine Petition mit 70.000 Kulturleuten, die kaum jemand kennt, und ein Artikel in der FAZ könnten etwas bewegen. Stattdessen wird jetzt Claudia Roths Debakel abgeräumt, und das alles ohne Gegenwehr ihrer Partei. So geht das. Bei uns am schönen Tegernsee. Und der Rest des Landes könnte vor dem nächsten Kulturkampfgeschrei kurz innehalten und sich fragen, was sie bei so einem Konflikt zu gewinnen haben. Denn eine neue Claudia Roth wird nicht kommen.
Und wenn der Kulturkampfbetrieb nicht mehr so anstrengend selbstgerecht ist, kann man vielleicht sogar wieder Theater und Literaturhäuser haben, die mehr als zehn Prozent ihrer Einnahmen selbst erwirtschaften, weil wieder mehr echte Kulturliebhaber anstelle von Randalefreunden und Presseschnorrer kommen und tatsächlich Karten kaufen.
Süddeutsche Zeitung Online am 05.05.2025 |
Nach der Union hat auch die SPD ihre Kandidatinnen und Kandidaten präsentiert. Das Bundeskabinett steht damit fest. Der Überblick.
Vor einer Woche präsentierte die Union ihre Ministerinnen und Minister, am Montag folgte nun der Koalitionspartner. Das neue Bundeskabinett steht damit fest.
Die SPD stellt mehr Frauen als Männer und tauscht bis auf Verteidigungsminister Boris Pistorius alle Kabinettsmitglieder aus. Auch bei den Unionskandidaten sind einige Überraschungen dabei.
Bundeskanzler
Nicht nur designierter Bundeskanzler, sondern mit 69 Jahren auch zehntältester Abgeordneter des 21. Bundestags. Dass er im Jahr 1955 am 11.11. zur Welt kam, mithin zum Auftakt der Karnevalssession, merkt man ihm nicht an. Hat sich lange Jahre an Angela Merkel abgearbeitet, nun obliegt es ihm, deren Erbe aufzuarbeiten. Steht innen- wie außenpolitisch vor einigen der größten Herausforderungen, denen sich je ein deutscher Kanzler gegenübersah.
Sämtliche Demokraten im Land, ganz gleich welcher Couleur, dürften ihm, dem oft so Impulsiven, beides wünschen: Entschlusskraft und Besonnenheit.
Finanzminister und Vizekanzler
Hat die SPD als Co-Parteichef zu einem historisch schlechten Wahlergebnis geführt (16,4 Prozent) und wird dafür mit dem Finanzministerium und der Vizekanzlerschaft belohnt. Wie er den Moment der Niederlage seiner Partei als Chance für sich selbst erkannt und das Personaltableau nun ganz nach seinen Vorstellungen geformt hat, zeugt von großem politischem Geschick und noch größerem Zug zur Macht.
Als gewiefter Verhandlungsführer der SPD in den Koalitionsverhandlungen hat der 47 Jahre alte Klingbeil viel Überraschendes herausgeholt, darunter auch, dass der 69 Jahre alte Friedrich Merz ihn nun duzt. Als Herr der Finanzen sitzt Klingbeil künftig an den wahren Hebeln der Macht. Er wuchs als Sohn eines Soldaten und einer Einzelhandelskauffrau in Munster auf, es ist das Munster ohne "ü", gelegen in Niedersachsen. Der vormalige Arbeitsminister Hubertus Heil hat die Niedersachsen kürzlich - als er sich noch deren Rückhalt sicher war - als "Brasilianer des Nordens" beschrieben - eine Charakterisierung, die sowohl in Heils als auch in Klingbeils Fall vollumfänglich nicht zutrifft.
Außenminister
Gehört zu den Politikern in der Union, die sich für ein Umdenken im Umgang mit der AfD einsetzen. Sprach sich im April dafür aus, Vertretern der in Teilen rechtsextremen Partei wichtige Posten in Ausschüssen zuzugestehen, "wenn sie in der Vergangenheit nicht negativ aufgefallen sind", so Wadephul. Diese Position ist auch in seiner eigenen Partei umstritten. Wadephul war seit vielen Jahren als stellvertretender Fraktionsvorsitzender zuständig für Auswärtiges, Verteidigung und den Europarat, mithin ist er ein sogenannter "Fachpolitiker".
Als Vorsitzender der Deutsch-Südkaukasischen Parlamentariergruppe im Bundestag verfügt Wadephul, 62, zudem über vergleichsweise kleinteiliges außenpolitisches Wissen. Er wird womöglich weniger einflussreich sein als seine Vorgänger, weil Friedrich Merz einen Nationalen Sicherheitsrat im Kanzleramt installieren will. Das wird im traditionell machtbewussten und stets von sich überzeugten Außenamt mit Skepsis betrachtet.
Innenminister
Lange hieß es, dass Dobrindt mit seiner Position als Landesgruppenchef der CSU vollkommen zufrieden sei. Warum sich ein Ministerium aufbürden? Nun hat Dobrindt, 54, nicht bloß irgendein Ministerium übernommen, er leitet das Ressort des Inneren. Eine undankbare Aufgabe, da die Union versprochen hat, entschlossen für eine Verringerung der Einwanderung zu sorgen, was aber in der Praxis alles andere als einfach wird. Von rechts werden sie auf Dobrindt zeigen, weil er die Erwartungen nicht erfüllt, von links werden sie auf ihn zeigen, weil er zu harsch vorgeht; immer wird er der Buhmann sein.
Einem breiteren Publikum ist Dobrindt als Freund des politischen Wortspiels bekannt. Als er einmal im Jahr 2022 aus heute nicht mehr ganz nachvollziehbaren Gründen auf der Zugspitze weilte, während die Ampelkoalition sich im brandenburgischen Meseberg auf einer Klausurtagung vergnügte, deklamierte er: "Deutschland braucht Zuversicht von der Zugspitze statt Mutlosigkeit aus Meseberg." Niemand hat behauptet, dass er als Freund des guten politischen Wortspiels bekannt ist.
Wirtschaftsministerin
Eine Weile lang galt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann als Favorit für dieses Amt. Dem Vernehmen nach hätte Linnemann sich eine Art Superministerium für sich vorstellen können, wie es einst Wolfgang Clement führte, der von 2002 bis 2005 Minister für Wirtschaft und Arbeit war. Allerdings ging das Arbeitsministerium an die SPD, und so blieb Linnemann auf seinem alten Posten.
Katherina Reiche, 51, war von 1998 bis 2015 Mitglied des Bundestags, unter anderem war sie Staatssekretärin im Umwelt- und im Verkehrsministerium. Anschließend ging die Diplom-Chemikerin in die Wirtschaft, zunächst als Hauptgeschäftsführerin beim Verband kommunaler Unternehmen, seit 2019 arbeitet sie als Managerin in der Energiebranche. Reiche stammt aus Brandenburg, lebt aber seit Langem in Nordrhein-Westfalen, weshalb CDU-Vertreter aus den neuen Bundesländern sie nicht als Ost-Politikerin betrachten. Von denen fordern sie mehr auf wichtigen Posten.
Kritik gab es auch vom Verein Lobbycontrol. Eine Sprecherin sagte der Berliner Zeitung: "Eine Energiekonzern-Chefin soll zur Energieministerin werden - das birgt erhebliche Risiken für Interessenkonflikte." Friedrich Merz focht diese Kritik nicht an, er holte Reiche zurück in die Politik.
Verteidigungsminister
Beliebtester Politiker Deutschlands. Der 65 Jahre alte Pistorius hat als Verteidigungsminister seinen idealen Job gefunden, er wollte im Amt bleiben - und er bleibt es. Jetzt allerdings ist er dazu befugt, deutlich mehr Geld auszugeben, weil Union und SPD mithilfe der Grünen im alten Bundestag noch schnell die Schuldenbremse in Bezug auf die Militärausgaben reformiert haben. Das versetzt Pistorius in die Lage, wirklich etwas bewegen zu können und nicht bloß, wie einige seiner Vorgänger, den Mangel zu verwalten.
In Anbetracht der unruhigen Weltlage kommt seinem Ministerium eine enorme Bedeutung zu; es obliegt ihm, Deutschland im Verbund mit den europäischen Partnern verteidigungsfähig zu machen. Das ist nicht nur logistisch eine riesige Aufgabe, sondern auch in puncto Kommunikation, denn es ist trotz der erwähnten unruhigen Weltlage (Russland, Gaza, Trump) alles andere als einfach, der Bevölkerung zu vermitteln, dass Deutschland eine führende militärische Macht in Europa sein soll.
Arbeits- und Sozialministerin
Allmählich und unaufhaltsam geht Bärbel Bas ihren Weg, weiter und weiter, beständig nach oben. Von einem Hauptschulabschluss hat sie es in der vergangenen Legislaturperiode zur Präsidentin des Deutschen Bundestags gebracht, immerhin das nominell zweithöchste Amt im Staat. Die breitere Öffentlichkeit hatte sie lange nicht so richtig auf dem Schirm, obwohl sie viele Jahre lang Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion war.
Als umsichtige Vorsitzende des Parlaments wurde sie dann einem größeren Kreis bekannt. Dass Bas, 56, ein Ministerium leiten würde, war während der Koalitionsverhandlungen rasch klar, nun ist es Arbeit und Soziales geworden, mithin das SPD-Ministerium schlechthin. Carsten Linnemann (CDU) wird ganz genau beobachten, was sie dort anstellt - er hätte ihren neuen Posten am liebsten selbst gern übernommen.
Justizministerin
Mit ihr zieht nach Karin Prien auf Unionsseite nun schon die zweite Landes-Bildungsministerin in das neue Kabinett ein. Allerdings gibt es bekanntermaßen nur ein Bildungsministerium auf Bundesebene. Gut, dass Stefanie Hubig vor ihrer Zeit in der Politik Richterin war, womit sie auch die Grundqualifikation für das Amt der Bundesjustizministerin erfüllt.
Tatsächlich kennt Hubig das Haus bestens: Vor einem Vierteljahrhundert wechselte sie bereits erstmals dorthin, was zeigt, dass sie definitiv nicht zu Klingbeils großem Generationenwechsel gehört. 2005 stieg die heute 56-Jährige zur Referatsleiterin auf, wechselte dann für ein paar verdienstvolle Staatskanzlei-Jobs nach Rheinland-Pfalz, bevor Heiko Maas sie als Staatssekretärin zurück nach Berlin lockte. Die Bilderbuch-Karriereleiter sah als Nächstes ein Ministeramt auf Landesebene vor, also wechselte sie 2016 in die Mainzer Bildungsbehörde, die auf Google mickrige 1,6 von fünf Sternen hat. Das Bundesjustizministerium verzeichnet immerhin 2,7 Sterne.
Digitalminister
Er übernimmt ein auf Bundesebene neu geschaffenes Ministerium, das als besonders wichtig gilt. Ohne eine umfassende Digitalisierung, so die Meinung an der CDU-Spitze, ist alles nichts. Die Personalie Wildberger ist insoweit interessant, als er tatsächlich von außen kommt. Im Raum stand auch, der hessischen Digitalministerin Kristina Sinemus das Amt anzuvertrauen.
Wildberger, 55, ist studierter Physiker. Und was wird man als Physiker? Erst mal Unternehmensberater, dann Manager von Telefonkonzernen, zwischendurch mal Vorstandsmitglied eines Stromriesen, schließlich Chef der Ladenkette Media Markt und Saturn. Und nun Digitalminister. Ob er das alles auch mit einem Jurastudium hätte werden können? Vermutlich ja. Aber dann hätte er nicht in einem so klingenden Thema wie der "Festkörperphysik" promoviert.
Verkehrsminister
Klar, werden die Insider jetzt sagen, der Schnieder, natürlich wird der Verkehrsminister. Schließlich war er eine Weile Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur. Aber in Wahrheit hatten sie ihn nicht auf der Rechnung. Ina Scharrenbach aus NRW hatte als Favoritin gegolten. Schnieder wird am 1. Mai 57 Jahre alt und bringt eine Besonderheit ins Kabinett: Er ist größer als die Chefs Friedrich Merz (1,98 Meter), Lars Klingbeil (1,96) und Markus Söder (1,94), denn Schnieder misst 2,02 Meter.
Wie Thorsten Frei hat er Erfahrung als Bürgermeister, von 1999 bis 2009 stand er der Gemeinde Arzfeld im Eifelkreis Bitburg-Prüm vor. Fassen wir also noch einmal kurz zusammen: Der Mann ist sehr groß, und er stammt aus der Eifel. Wie lautet also sein Spitzname? Natürlich: Eifelturm.
2009 wurde er in den Bundestag gewählt, wo er seither fleißig in allerlei Ausschüssen und Gremien saß, neben dem erwähnten Verkehrsausschuss zum Beispiel im Ausschuss für Wahlprüfung, zudem ist er Vorsitzender der Deutsch-Belgisch-Luxemburgischen Parlamentariergruppe. Studiert hat er was? Genau, Jura.
Umweltminister
Foto: Uwe Koch/IMAGO/HMB-Media; Bearb.: SZ
Ist sich nicht ganz sicher, ob er seine Wählerinnen und Wähler duzen oder siezen soll. Auf seiner Homepage wirbt er für sich mit den Worten: "Für Erfurt. Für Weimar. Für Dich." Scrollt man ein wenig weiter, findet sich die Rubrik: "Lernen Sie mich kennen." Der 49 Jahre alte Schneider sitzt bereits seit 1998 im Bundestag, also seit der Wahl, bei der die SPD statt mit Rudolf Scharping mit Gerhard Schröder antrat und mehr als 40 Prozent der Stimmen erhielt.
Hat Bankkaufmann bei der Volksbank Erfurt gelernt, war unter anderem haushaltspolitischer Sprecher der Fraktion, später deren erster parlamentarischer Geschäftsführer und anschließend als Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland Staatsminister beim Bundeskanzler.
Die Interessen seiner Wählerschaft vertrete er, wie er mitteilt, mit der Hartnäckigkeit, die er als Radrennfahrer gelernt habe. Hat auf dem Sattel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einiges von jener Umwelt gesehen, um die er sich nun im Kabinett kümmern soll - dem Vernehmen nach bisweilen auch an der Seite von Klingbeil.
Familien- und Bildungsministerin
Neben Johann Wadephul die zweite CDU-Politikerin aus Schleswig-Holstein im Kabinett. Damit nimmt das "Land der Horizonte" (Eigenwerbung) eine größere Rolle als gewohnt in der Bundespolitik ein. Ungewöhnlich ist diese Häufung, weil die Ministerposten zwar offiziell nach Befähigung vergeben werden, aber eben auch nach einem strengen Proporz: Männer, Frauen, Landesverbände.
Prien wurde 1965 in Amsterdam geboren, wohin ihre jüdischen Großeltern mütterlicherseits in den Dreißigerjahren vor den Nazis geflohen waren. Sie wuchs zunächst in den Niederlanden auf, später zogen die Eltern mit ihr nach Deutschland um. Prien trat bereits 1981 in die CDU ein, in einem Alter also, in dem Parteipolitik für die meisten von der Pubertät umtosten Menschen nicht die allerhöchste Priorität genießt.
Lediglich 36 Jahre später wurde sie Bildungsministerin von Schleswig-Holstein und machte als solche unter anderem von sich reden, indem sie sich gegen das Gendern aussprach, was die Koalitionspartner von den Grünen entsprechend empörte. Prien ist Juristin und hat lange als selbständige Anwältin gearbeitet. Seit 2021 gehört sie dem Bundesvorstand der CDU an. Sie ist außerdem Vorsitzende des Jüdischen Forums der CDU.
Wohn- und Bauministerin
Teilt sich die erste Silbe ihres Nachnamens mit ihrer Kabinettskollegin, ihr Lebenslauf jedoch sieht völlig anders aus. Hubertz betrieb ab 2014 mit einer Kommilitonin das Start-up "Kitchen Stories", in dem es, kurz gesagt, um eine App geht, die zeigt, wie man einfach und mit Freude kocht. Da erscheint es im Rückblick fast zwangsläufig, dass 2017 mal der Chef von Apple in der Start-up-Küche vorbeischaute, ein Mann namens Tim Cook.
Zuvor hatte Hubertz während des Studiums der Betriebswirtschaft bei den Lebenshilfe-Werken in Trier ein Praktikum gemacht und dort geholfen, den im Guinness-Buch der Rekorde eingetragenen Weltrekord im größten gemeinsamen Trommelwirbel zu organisieren. Da war zwar nicht Tim Cook vorbeigekommen, aber dafür der Sänger Guildo Horn, um trommelnd auf das Leistungsvermögen von Menschen mit Behinderung aufmerksam zu machen.
Die heute 37 Jahre alte Hubertz zog 2021 erstmals in den Bundestag ein. Sie saß in den Ausschüssen für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sowie Tourismus und Wirtschaft. Hat eine schnelle Karriere gemacht, steht beispielhaft für eine jüngere SPD, und - sehr wichtig - nachdem Saskia Esken kein Ministerium bekommt: eine weiblichere SPD.
Forschungs- und Raumfahrtsministerin
Mit einer kurzen Unterbrechung gehört sie dem Deutschen Bundestag seit 2002 an, also seit fast 23 Jahren, was umso bemerkenswerter ist, da sie erst 47 Jahre alt ist. Dorothee Bär verfügt also in vergleichsweise jungen Jahren über immense parlamentarische Erfahrung. Sie hat sich immer geduldig durch die Gremien gearbeitet, war zuletzt in der Union zuständig für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kultur und Medien. Da liegt das Raumfahrtministerium nahe.
In ihrem Wahlkreis Bad Kissingen war es der AfD gelungen, ihren Direktkandidaten nicht rechtzeitig anzumelden, woraufhin Bär gelassen 50,5 Prozent der Stimmen einfuhr. Für Fußballmenschen interessant: Sie ist Mitglied im Verwaltungsbeirat des FC Bayern München, also der CSU der Fußball-Bundesliga.
Gesundheitsministerin
Noch eine Juristin, aber eine, die meist in Baden-Württemberg aktiv war. Die 45 Jahre alte Warken ist mit einer kurzen Unterbrechung seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags. Ihre Ernennung als Ministerin kam überraschend, aber so ist es eben bei diesen Ernennungen: Irgendeine muss immer überraschend sein. Warken war Mitglied in mehreren Ausschüssen, sie weiß, wie das Klein-Klein des parlamentarischen Alltags funktioniert. Apropos Klein-Klein: Sie ist gegen das Absenken des Wahlalters auf 16 Jahre.
Landwirtschaftsminister
In der Berliner Blase hieß es bis zuletzt, dass die bayerische Landwirtschaftministerin Michaela Kaniber das Amt auf Bundesebene übernehme. In Bayern lächelte man nur über dieses Gerücht, denn dort war längst klar, dass Alois Rainer den Posten erhält. Das ist einerseits ein Verlust, denn das Online-Portal Der Westen weiß über Kaniber dies zu berichten: "Ob auf dem Traktor oder im Dirndl beim Fototermin - sie bleibt echt." Es ist aber andererseits ein Gewinn, denn Rainer ist das einzige Mitglied des Kabinetts, das einen Meisterbrief vorweisen kann.
Rainer ist Metzger, und dass er tatsächlich ein Meister seines Fachs ist, stellte er vor mehr als 20 Jahren unter Beweis, als er mit einem Kollegen eine Weißwurst formte, die 825 Meter lang war. In Worten: achthundertfünfundzwanzig Meter. Das war damals die längste der Welt. Sehr nebenbei bemerkt: Vor gut zehn Jahren haben 60 Lütticher Metzger ihm den Rekord entrissen, indem sie eine Weißwurst von einem Kilometer Länge herstellten.
Seit 2013 sitzt Rainer im Bundestag. Als er dort einzog, traf er seine Schwester: Gerda Hasselfeldt gehörte dem Parlament von 1987 bis 2017 an und war unter anderem Gesundheits- und Bauministerin. Ohnehin liegt die Politik in der Familie: Der Vater der beiden, der wie der Sohn Alois Rainer hieß, war Bürgermeister der Gemeinde Haibach und von 1965 bis 1983 Abgeordneter im Bundestag.
Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Ist in der undankbaren Position, dass die Menschen erst einmal nicht über sie sprechen, sondern darüber, wer ihren Job nicht bekommen hat, nämlich Co-Parteichefin Saskia Esken. Hobby-Kickboxer Klingbeil hat jedoch Hobby-Boxerin Alabali-Radovan für einen Kabinettsposten ausgesucht. Dass fliegende Fäuste oder Tritte bei der Entscheidung eine Rolle gespielt haben, wird in Parteikreisen vehement abgestritten. Eher soll sich ihre Entdeckerin und Förderin, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, vehement für sie eingesetzt haben, was sie für Esken dezidiert nicht tat.
Die 35-jährige Alabali-Radovan (auch hier: Generationenwechsel!) hat bei den Sozialdemokraten eine Blitzkarriere hingelegt. Sie trat erst Anfang 2021 in die Partei ein, noch im Dezember machte Olaf Scholz sie zur Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration. 2022 übernahm sie dazu noch das neu geschaffene Amt der Bundesbeauftragten für Antirassismus. Ziemlich viele Posten für ziemlich wenig Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit. Zumindest Letzteres dürfte sich nun ändern - unter der genauen Beobachtung ihrer Parteichefin.
Staatsminister für Kultur und Medien
Lange wurde spekuliert, wer Claudia Roth (Grüne) als Staatsministerin für Kultur ablösen würde. Die Entscheidung ist eine große Überraschung: Friedrich Merz hat sich für den konservativen Publizisten und Verleger Wolfram Weimer entschieden. Weimer, 60 Jahre alt, ist Verleger der Weimer Media Group, die Titel wie Business Punk,The European oder Wirtschaftskurier veröffentlicht. Er war Chefredakteur der Welt und später der Gründer und Chefredakteur des Magazins Cicero.
Damit übernimmt das Amt ein Mann, der kein Insider des Berliner Politikbetriebs ist. Das allerdings hat Weimer mit mehreren seiner Vorgängerinnen und Vorgänger gemeinsam - zu ihnen gehören der Verleger Michael Naumann, der Philosoph Julian Nida-Rümelin und die Journalistin Christina Weiss. Die Entscheidung hat sehr viel Kritik bei Kulturschaffenden ausgelöst.
Kanzleramtsminister
Frei gehört zu den Politikern im Kabinett, die über echte Regierungserfahrung verfügen, wenn auch nicht auf Bundes- oder Landesebene. Von 2004 bis 2013 war er Oberbürgermeister von Donaueschingen. Als er 2012 wiedergewählt wurde, gab es "Frei-Bier". Das ist in der Welt der politischen Wortspiele eines der besseren. Seit Ende 2021 ist der heute 51-Jährige Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag und war damit immer an der Seite von Friedrich Merz. Dass ihm das nicht zum Nachteil gereichte, zeigt seine Berufung in das Ministeramt, das am nächsten am Kanzler ist.
Mehr als alle anderen Ministerinnen und Minister ist der Kanzleramtsminister Diener und Leiter zugleich. Das Prinzip des gleichzeitigen Dienens und Führens ist ein nahezu klassisches, Frei erlernte es unter anderem während seines Grundwehrdienstes bei der Deutsch-Französischen Brigade.
Tichys Einblick Online am 07.05.2025 |
Matthias Brodkorb, ehemaliger SPD-Landesminister in Mecklenburg-Vorpommern und Rechtsextremismusfachmann hat in einem lesenswerten Gastbeitrag für die "Schwäbische Zeitung" vom 6. Mai 2025 auf ein gern übersehenes Detail hingewiesen. Der AfD werde nicht etwa vorgeworfen, die demokratische politische Ordnung des Landes umstürzen zu wollen. Zum Vorwurf werde ihr gemacht, einen "ethnischen Volksbegriff" zu verwenden. Und der sei als Indiz für ein verfassungsfeindliches Treiben der Partei zu werten. Oha, da hätten die VS-Schlapphüte vielleicht doch besser zunächst einen Blick in die Verfassung werfen sollen, ganz nach der bewährten Maxime juristischer Anfängerausbildung: "Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung." Denn was das Thema "ethnischer Volksbegriff" angeht, findet sich im Grundgesetz durchaus Erhellendes. Artikel 116 Abs. 1 GG formuliert: "Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist (…), wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat."
Was kann der Begriff der "deutschen Volkszugehörigkeit" denn sonst meinen, wenn nicht ethnisch-kulturelle Zugehörigkeit zu einem Kollektiv, das bislang als deutsches Volk bezeichnet wurde? Was kann der Begriff der "deutschen Volkszugehörigkeit" denn anderes bezwecken als Menschen einen Rechtsanspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit zuzuerkennen, wenn sie ethnische Deutsche, aber keine deutschen Staatsangehörige sind? Auch der Begriff des "Abkömmlings" hat nur Sinn als Bezeichnung für Menschen, die nach Art. 116 Abs. 1 GG formal Bürger eines anderen Landes sind, aber von Menschen abstammen, die für Deutsche in ethnokulturellem Sinne gehalten werden. Brodkorb wirft dem Verfassungsschutz vor, bei seiner windigen Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" in die hermeneutische Trickkiste zu greifen. Wenn man ohnehin davon ausgehe, dass die AfD einem angeblich verfassungswidrigen ethnischen Volksverständnis anhänge, könnten verfassungsrechtlich harmlose Aussagen als Indikatoren für ein vermeintlich rechtsextremistisches Weltbild der AfD gedeutet werden. Der Verfassungsschutz setze also das, was er beweisen müsste, einfach voraus. Das sei ein Muster, das an Verschwörungstheorien erinnere.
Im Übrigen sollte in diesem Zusammenhang schon noch einmal darauf hingewiesen werden, dass freie Meinungsäußerung in Deutschland ein Grundrecht ist. Aber muss man wirklich darauf hinweisen? Verfassungsfeind ist noch lange nicht, wer von der Entwicklung der deutschen Gesellschaft und seiner künftigen demographischen Zusammensetzung eine andere Vorstellung hat als die, in der sich eine mehrere Parteien übergreifende Meinungskoalition im Bundestag wiederfindet. Der demokratische Nationalstaat stützt sich auf das demokratische Selbstbestimmungsrecht der Nation. Gemeint ist damit das kollektive Recht der Nation, über die eigenen Verhältnisse und das eigene Schicksal selbst zu entscheiden. Dieses Recht wird durch das Prinzip der Volkssouveränität und das Demokratieprinzip abgesichert. Der ehemalige SPD-Staatsminister und Philosoph Julian Nida-Rümelin hält die kollektive demokratische Selbstbestimmung sogar für ein Menschenrecht. Das demokratische Selbstbestimmungsrecht schließt das Recht mit ein, über das Ob, das Wer und das Wie von Einwanderung, Integration und Staatsbürgerschaft unter Beachtung der allgemeinen Menschenrechte frei zu entscheiden. Voraussetzung für die Ausübung der demokratischen Selbstbestimmung ist aber, dass ein gesellschaftlicher Diskurs stattfinden kann über den Gegenstand, der in freier Selbstbestimmung geregelt werden soll. Wenn also nach Art. 21 Abs. 1 GG die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken sollen, dann wäre jeder Versuch, dieses Recht von legalen Parteien einzuschränken, selbst verfassungswidrig.
Bayerische Staatszeitung (Wochenzeitung) vom 09.05.2025, S. 1 |
IN DIE NEUE BUNDESREGIERUNG WURDEN AUCH LEUTE VON AUSSEN BERUFEN – SO ETWAS FUNKTIONIERT NUR SELTEN. WARUM IST DAS SO?
Die Kanzlerwahl ist geschafft, jetzt geht’s ans Regieren. Dabei dürfen für die CDU auch Politikfremde mitmischen: Ceconomy-Chef Karsten Wildberger als Digitalminister und Verleger Wolfram Weimer als Kulturstaatsminister. Bislang haben Externe nur selten reüssiert. Ein Überblick.
CSU-Chef Markus Söder war bei seiner Nominierung eines externen Kandidaten sogar noch ein Stück weiter gegangen als Merz bei der Berufung seiner designierten Ministerinnen und Minister. Auf den Präsidenten des Bayerischen Bauernverbands, Günther Felßner, dem er das Agrarministerium versprochen hatte, baute Söder gar Teile seines Wahlkampfs auf. Doch kurz vor der Wahl zog Felßner zurück, nachdem Tierschutzaktivisten auf seinen Bauernhof eingedrungen waren und dort mit dem Abbrennen von Pyrotechnik auf dem Stalldach die Familie verschreckt hatten. Felßner machte allein diese Aktion für seinen Rückzug verantwortlich, aus der CSU war aber auch zu hören, dass der parteiinterne Rückhalt für die Außenbesetzung nicht übermäßig ausgeprägt gewesen sei und Felßner auf dem Berliner Polit-Parkett etwas "gefremdelt" habe.
Offenbar ist eine gewisse Politik- nähe Grundvoraussetzung dafür, dass eine Kabinettskarriere auch ohne vorheriges Mandat im entsprechenden Bundes- oder Landesparlament die Chance auf Erfolg hat.
Der CSU-Ehrenvorsitzende Erwin Huber hat einige erlebt, die aus der Wirtschaft in die Politik wechselten. Er bilanziert: "Die Entscheidungsabläufe sind in beiden Bereichen stark unterschiedlich, mit der Folge von längeren Einarbeitungszeiten und speziellen Risiken." Es gebe bei einem solchen Systemwechsel zwar "Informations- und Erfahrungsgewinne", jedoch auch "zeitraubende und konfliktträchtige Anpassungsreaktionen", sagt Huber der Staatszeitung.
Zu den prominentesten Seiteneinsteigern auf Bundesebene zählt Ex-Arbeitsminister Walter Riester, den der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Jahr 1998 aus seinen Führungspositionen bei der IG Metall an seine Seite holte. Riester war da immerhin schon Mitglied im SPD-Bundesvorstand. Mit der Riester-Rente hat der Schwabe dann einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Auch Schröders zweite Außenbesetzung, die Ernennung von Julian Nida-Rümelin zum Kulturstaatsminister, funktionierte damals. Der Münchner Philosophieprofessor hatte eine Vorbildung als Kulturreferent der Landeshauptstadt und galt als enger Vertrauter des damaligen OB Christian Ude (SPD).
Auch in Bayern gab es immer wieder Außenbesetzungen. Ein Glücksfall für Bayern war Hans Maier, der an der Universität München als Politikprofessor gewirkt hatte, bevor der damalige Ministerpräsident Alfons Goppel (CSU) ihn zum Minister für Wissenschaft und Kunst berief. Maier blieb immerhin 16 Jahre im Amt – von 1970 bis 1986 – und verschaffte sich in dieser Zeit parteiübergreifende Wertschätzung. Zum Zeitpunkt seiner Berufung war Maier nicht mal CSU-Mitglied, er holte das drei Jahre später nach. Als Professor verlieh er der CSU damals einen intellektuellen Touch, den die Partei durchaus nötig hatte.
In seinen Memoiren schreibt Maier, dass dem damaligen CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß "die Öffnung der CSU für die ihr eher abholden Wissenschaftler, Intellektuellen und Künstler wichtig war". Ab 1976 gehörte Maier als Abgeordneter dann auch dem Landtag an. Seine Begründung: "Mir war klar, dass man in der Parteiendemokratie auf die Dauer nicht in der Splendid Isolation des Parteilosen verharren konnte."
Maiers Abschied aus der Politik erfolgte nach einem Streit mit dem damaligen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Maier konnte sich derlei Differenzen leisten, als Wissenschaftler war er unabhängig. Er wirkte anschließend als Professor für Christliche Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie an der Uni München.
Gut möglich, dass FJS den Weggang bedauerte. "Wenn Leute wie Maier weg sind", hatte Strauß einmal einem Spitzenbeamten anvertraut, "ist die CSU wieder eine Bierdimpflpartei."
Grandios als Ministerin gescheitert ist dagegen die Münchner Professorin Marion Kiechle. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte es für einen Coup gehalten, die renommierte Wissenschaftlerin in sein Team zu holen. Kiechle war damals deutschlandweit die erste Frau auf einem Gynäkologielehrstuhl. Sie selbst gab sich überzeugt, der Aufgabe als Wissenschaftsministerin gewachsen zu sein. Schließlich habe sie als Klinkchefin bereits eine "Topmanagement-Position" ausgefüllt, betonte sie. Es kam anders. Sie blieb nur sieben Monate im Amt. In dieser Zeit trat sie in zahlreiche Fettnäpfchen, die man als Politneuling gar nicht wahrnimmt, wurde nie mit der Fraktion warm, stolperte über ungeschickte Sätze im laufenden Landtagswahlkampf. Nach der Wahl wurde Kiechle nicht mehr als Ministerin berufen und kehrte als Professorin an die TU München zurück.
Außenbesetzungen in Bayern stammten aus gutem Grund zumeist nicht aus der Wirtschaft, sondern aus anderen Parlamenten. Vor allem Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hatte ein gewisses Faible dafür. 1993 holte er Reinhold Bocklet aus dem Europaparlament an die Spitze des bayerischen Agrarministeriums. Bocklet war zwar kein Landwirt, sondern Jurist, hatte sich in 14 Brüsseler Jahren aber genügend Expertise in Agrarpolitik angeeignet und war sogar Vorsitzender des CSU-Agrararbeitskreises. Für Bocklet sollte sich der Wechsel in die Landespolitik lohnen. Er wurde später Bundes- und Europaminister. Nach dem Ausscheiden aus dem Kabinett fungierte er noch zehn Jahre als Landtagsvizepräsident.
Zu den von Stoiber an Land gezogenen Seiteneinsteigern gehörte 1998 der damalige Kronacher Landrat Werner Schnappauf. Er wurde Umweltminister. Neben fachlichen Gründen – Schnappaufs Lieblingsthema war die Nachhaltigkeit – war der Regionalproporz ausschlaggebend. Er scheiterte auch am Neid der Kollegen. So kämpfte er 2003 vergeblich um ein Direktmandat, schaffte den Sprung in den Landtag aber über die Liste. Immerhin hielt er sich bis 2007 im Amt, bis er als Hauptgeschäftsführer zum Bundesverband der Deutschen Industrie ging.
Weitere Außenbesetzungen Stoibers waren Emilia Müller (aus dem Europaparlament) und Beate Merk, die als Oberbürgermeisterin von Neu-Ulm amtiert hatte. Beide konnten sich geraume Zeit halten, mit der Fraktion wurde jedenfalls Müller nie warm und Merk erst spät.
Bislang letzte externe Berufung ins bayerische Kabinett war 2022 der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter (CSU). Er avancierte zum Bau- und Verkehrsminister. CSU-Chef Markus Söder sah in dem vor Ort beliebten Landrat mit Blick auf die Landtagswahl 2023 ein Bollwerk gegen den gerade in Niederbayern populären Freie-Wähler-Vorsitzenden Hubert Aiwanger und die im Bezirk starke AfD. Die Hoffnungen haben sich nicht erfüllt, die CSU-Verluste in Niederbayern waren gewaltig. Fachlich wirkt Bernreiter mit dem eher großstädtischen Thema Wohnungsbau und dem Desaster um die zweite S-Bahn-Stammstrecke in München überfordert. Ein Schuh, den sich in erster Linie der Personalverantwortliche Söder anziehen muss. > W. TASCHNER, J. UMLAUFT
civil.de am 09.05.2025 |
Stellen Sie sich vor, ein Beamter liest Artikel 116 des Grundgesetzes, schlägt die Akte zu - und stuft das Gelesene als verfassungsfeindlich ein. Genau das geschieht derzeit in Deutschland. Der Verfassungsschutz wirft der AfD vor, einen "ethnischen Volksbegriff" zu verwenden - und wertet das als Beleg für rechtsextremes Gedankengut.
Dumm nur: Der "ethnische Volksbegriff" steht im Grundgesetz. Genauer gesagt in Artikel 116 Absatz 1. Dort ist von "deutscher Volkszugehörigkeit" die Rede - als Voraussetzung für die deutsche Staatsangehörigkeit.
Wer das für extremistisch hält, erklärt nicht nur die AfD zum Verdachtsfall. Er erklärt das Grundgesetz zur Gefahr.
Zur Erinnerung: Artikel 116 GG definiert, wer "Deutscher" im Sinne des Grundgesetzes ist. Dort heißt es: "Deutscher ist (…) wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Abkömmling (…) Aufnahme gefunden hat."
Was damit gemeint ist, lässt sich kaum missverstehen: Es geht um Abstammung. Um ethnische Herkunft. Um Menschen, die formell keine Staatsbürger waren, aber als Deutsche galten - weil sie aus deutschen Familien stammen. Wer etwa 1950 als Kind eines Volksdeutschen aus Ungarn nach Bayern kam, wurde unter Berufung auf seine ethnische Zugehörigkeit eingebürgert.
Der Begriff ist nicht nur eindeutig ethnisch - er war sogar gewollt ethnisch. Und steht bis heute im Grundgesetz. Wer also den "ethnischen Volksbegriff" pauschal als verfassungsfeindlich erklärt, müsste Artikel 116 für rechtsextrem halten. Genau das aber tut der Verfassungsschutz - implizit, aber folgenschwer.
Ein Kronzeuge namens Brodkorb
Mathias Brodkorb war Kultus- und Finanzminister in Mecklenburg-Vorpommern - für die SPD. Er war lange zuständig für Rechtsextremismusprävention, gilt als intellektuell redlich, keineswegs als AfD-nah. Heute ist er Kolumnist beim "Cicero" - und Autor eines kritischen Buchs über den Verfassungsschutz. Wenn so jemand Alarm schlägt, sollte man zuhören.
Brodkorb hat in einem viel beachteten Text darauf hingewiesen, dass der Verfassungsschutz seiner Logik nach auch die Väter des Grundgesetzes beobachten müsste. Denn die Definition in Artikel 116 - "deutsche Volkszugehörigkeit", "Abkömmling" - sei ethnisch-kulturell geprägt. Genau das reiche dem Bundesamt heute, um eine Partei zum Fall für den Geheimdienst zu machen.
Der Vorwurf an die AfD: Sie spreche nicht vom "Staatsvolk", sondern vom "ethnischen Volk". Und das sei ein Anzeichen für Verfassungsfeindlichkeit. Brodkorb entlarvt das als hermeneutischen Trick: Wer ohnehin davon ausgeht, dass die AfD verfassungswidrig denke, kann in jeder harmlosen Aussage einen Beleg für diese Annahme finden. Der Beweis wird ersetzt durch eine Vorannahme.
Ein Muster, das an Verschwörungstheorien erinnert - nur umgekehrt: Hier ist es der Staat, der überall "Codes" und "Signale" zu erkennen glaubt.
Der Schutz wird zur Bedrohung
Der Verfassungsschutz hat kein unabhängiges Urteil gefällt, sondern einen politischen Akt gesetzt - kurz vor dem Abgang der Innenministerin Nancy Faeser (SPD), ohne festen Behördenleiter, inmitten eines Umfragetiefs der Regierungsparteien. Das wirkt nicht wie staatliche Neutralität, sondern wie parteipolitische Strategie.
Über tausend Seiten soll das Gutachten umfassen - doch veröffentlicht wird es nicht. Man beruft sich auf Geheimhaltung. Dabei, so Brodkorb, stammen fast alle verwendeten Quellen aus öffentlich zugänglichem Material. Der Trick: Man schweigt sich aus - und entzieht sich damit jeder Kontrolle.
Dass der Verfassungsschutz in der Vergangenheit mehrfach rechtswidrig handelte, ist dokumentiert. Er wurde von Gerichten zurückgepfiffen - im Fall Ramelow, im Fall Gössner, im Fall zahlreicher Linken-Politiker. Die Vorstellung, er sei unfehlbar oder gar "objektiv", ist reines Wunschdenken. Er ist eine weisungsgebundene Behörde. Ihr Chef ist der Bundesinnenminister. Und genau das macht die Sache so brisant: Wo politische Interessen mit geheimdienstlichen Mitteln durchgesetzt werden, gerät das Gleichgewicht der Demokratie ins Wanken.
Demokratische Selbstbestimmung - oder Gesinnungskontrolle?
Das Grundgesetz kennt keine Pflicht zum postnationalen Weltbürgertum. Es schützt das Recht "des deutschen Volkes" (sic!), sich über Einwanderung, Staatsbürgerschaft und nationale Identität eine eigene Meinung zu bilden. Auch dann, wenn sie dem politischen Mainstream widerspricht.
Ex Kultur-Staatsminister Julian Nida-Rümelin, ebenfalls SPD, nennt das demokratische Selbstbestimmungsrecht sogar ein Menschenrecht: Die Bürger müssen über das Wer, Wie und Ob von Migration diskutieren dürfen - offen, kontrovers, angstfrei.
Doch genau das wird nun kriminalisiert. Wer die Wortwahl des Grundgesetzes übernimmt und vom "deutschen Volk" spricht, wird zum Verdachtsfall. Wer Artikel 116 ernst nimmt, wird unter Beobachtung gestellt. Wer das Grundgesetz beim Wort nimmt, steht plötzlich im Verdacht, es zu gefährden.
Der Staat als Risiko
Brodkorb hat recht: Die Beweisführung des Verfassungsschutzes ist kein Beweis, sondern eine Konstruktion. Und die Konstruktion ist gefährlich - nicht nur für eine Partei, sondern für das ganze System.
Denn entweder folgt nun ein Parteiverbotsverfahren - mit allen Risiken des Scheiterns. Oder der Staat lässt es dabei bewenden, dass eine zugelassene Partei dauerhaft vom Inlandsgeheimdienst verfolgt wird. Beides beschädigt das Vertrauen in die Demokratie. Und beides führt in eine neue Qualität der Repression: Nicht das, was man tut, zählt - sondern das, was man angeblich meint.
Wer so denkt, braucht keine Justiz mehr, sondern nur noch Gesinnungsprüfer. Und irgendwann ein neues Grundgesetz - eines ohne Artikel 116.
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Schwäbische Zeitung Online am 07.05.2025 Der Verfassungsschutz erklärt die Verfassung für verfassungswidrig - geht's noch? |
Der Verfassungsschutz kritisiert den ethnischen Volksbegriff der AfD - doch steht Ähnliches nicht auch im Grundgesetz? Unser Gastautor ist irritiert.
Ja, geht's noch? Jetzt erklärt der Verfassungsschutz sogar schon unser Grundgesetz für verfassungswidrig. Nichts anderes bedeutet es nämlich, wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD für gesichert rechtsextremistisch erklärt mit der Begründung, ihr Volksverständnis sei "nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar".
Matthias Brodkorb, ehemaliger SPD-Landesminister in Mecklenburg-Vorpommern und Rechtsextremismusfachmann, hat in einem lesenswerten Gastbeitrag für Schwäbische.de auf ein gern übersehenes Detail hingewiesen. Der AfD werde nicht etwa vorgeworfen, die demokratische politische Ordnung des Landes umstürzen zu wollen. Zum Vorwurf werde ihr gemacht, einen "ethnischen Volksbegriff" zu verwenden. Und der sei als Indiz für ein verfassungsfeindliches Treiben der Partei zu werten.
Das sieht das Grundgesetz vor
Oha, da hätten die VS-Schlapphüte vielleicht doch besser zunächst einen Blick in die Verfassung werfen sollen, ganz nach der bewährten Maxime juristischer Anfängerausbildung: "Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung." Denn was das Thema "ethnischer Volksbegriff" angeht, findet sich im Grundgesetz durchaus Erhellendes.
Artikel 116 Abs. 1 GG formuliert: "Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist (…), wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat."
Wenig Interpretationsspielraum
Was kann der Begriff der "deutschen Volkszugehörigkeit" denn sonst meinen, wenn nicht ethnisch-kulturelle Zugehörigkeit zu einem Kollektiv, das bislang als deutsches Volk bezeichnet wurde? Was kann der Begriff der "deutschen Volkszugehörigkeit" denn anderes bezwecken, als Menschen einen Rechtsanspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit zuzuerkennen, wenn sie ethnische Deutsche, aber keine deutschen Staatsangehörige sind?
Auch der Begriff des "Abkömmlings" hat nur Sinn als Bezeichnung für Menschen, die nach Art. 116 Abs. 1 GG formal Bürger eines anderen Landes sind, aber von Menschen abstammen, die für Deutsche in ethnokulturellem Sinne gehalten werden.
Brodkorb wirft dem Verfassungsschutz vor, bei seiner windigen Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" in die hermeneutische Trickkiste zu greifen. Wenn man ohnehin davon ausgehe, dass die AfD einem angeblich verfassungswidrigen ethnischen Volksverständnis anhänge, könnten verfassungsrechtlich harmlose Aussagen als Indikatoren für ein vermeintlich rechtsextremistisches Weltbild der AfD gedeutet werden. Der Verfassungsschutz setze also das, was er beweisen müsste, einfach voraus. Das sei ein Muster, das an Verschwörungstheorien erinnere.
Muss man aufs Grundrecht verweisen?
Im Übrigen sollte in diesem Zusammenhang schon noch einmal darauf hingewiesen werden, dass freie Meinungsäußerung in Deutschland ein Grundrecht ist. Aber muss man wirklich darauf hinweisen? Verfassungsfeind ist noch lange nicht, wer von der Entwicklung der deutschen Gesellschaft und seiner künftigen demographischen Zusammensetzung eine andere Vorstellung hat als die, in der sich eine mehrere Parteien übergreifende Meinungskoalition im Bundestag wiederfindet.
Der demokratische Nationalstaat stützt sich auf das demokratische Selbstbestimmungsrecht der Nation. Gemeint ist damit das kollektive Recht der Nation, über die eigenen Verhältnisse und das eigene Schicksal selbst zu entscheiden. Dieses Recht wird durch das Prinzip der Volkssouveränität und das Demokratieprinzip abgesichert. Der ehemalige SPD-Staatsminister und Philosoph Julian Nida-Rümelin hält die kollektive demokratische Selbstbestimmung sogar für ein Menschenrecht.
Das demokratische Selbstbestimmungsrecht schließt das Recht mit ein, über das Ob, das Wer und das Wie von Einwanderung, Integration und Staatsbürgerschaft unter Beachtung der allgemeinen Menschenrechte frei zu entscheiden. Voraussetzung für die Ausübung der demokratischen Selbstbestimmung ist aber, dass ein gesellschaftlicher Diskurs stattfinden kann über den Gegenstand, der in freier Selbstbestimmung geregelt werden soll.
Wenn also nach Art. 21 Abs. 1 GG die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken sollen, dann wäre jeder Versuch, dieses Recht von legalen Parteien einzuschränken, selbst verfassungswidrig.
Wir veröffentlichen regelmäßig Gastbeiträge von Publizisten und Personen des öffentlichen Lebens, die keine Redaktionsmitglieder sind. Diese Beiträge bilden ein weites Meinungsspektrum ab und geben jeweils ausschließlich den Standpunkt ihrer Verfasser wieder.
Humanistische Themen |
dpa-Landesdienst Berlin/Brandenburg (Nachrichtenagentur) 03.05.2025 Jugendweihe-Feiern in Berlin begonnen - Gysi dabei (Foto aktuell) |
Beim Übergang in die Welt der Erwachsenen lohnt es sich, mal kurz innezuhalten und zu feiern. So sieht es jedenfalls der Linken-Politiker Gysi.
Berlin (dpa/bb) - Aufgeregte Jugendliche, stolze Eltern, Musik und feierliche Momente: Hunderte Jugendliche feiern in den nächsten Wochen in Berlin und Brandenburg ihre Jugendweihe. Zum Auftakt kam am Samstag der Linken-Politiker Gregor Gysi ins FEZ-Berlin.
"Die junge Generation wächst in eine sich immer schneller verändernde Welt hinein", erklärte der 77-jährige Bundestagsabgeordnete für Treptow-Köpenick vorab. "Vieles ist möglich, aber fast nichts ist sicher." Die Jugendweihe sei die Gelegenheit, kurz innezuhalten und mit Familie und Freunden zu feiern. Er wünsche sich, dass "diese Jugendweihe-Generation dafür sorgt, dass es keine Kriege mehr gibt".
Die Feiern gibt es bis zum 19. Juli jeweils an den Wochenenden, organisiert vom Verein Jugendweihe Berlin/Brandenburg. Insgesamt werden zu 39 Festveranstaltungen 2.500 Jugendliche und ihre Gäste erwartet.
Mitteldeutsche Zeitung, Bernburg (Tageszeitung) vom 08.05.2025, S. 14 |
Erstmals nach der Wende findet in Alsleben eine Jugendweihe statt. Warum die Eltern die Initiative ergriffen haben und wie der feierliche Akt zelebriert wurde.
Von Susanne Schlaikier
Alsleben/MZ. Die Jugendweihe ist sicher für viele Heranwachsende ein ganz besonderes Ereignis, werden sie dabei doch offiziell in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen. Für 19 Achtklässler der Freien Sekundarschule in Alsleben wird ihre Jugendweihe am vergangenen Samstag auf jeden Fall unvergessen bleiben, denn es ist das erste Mal seit der Wende, das in Alsleben eine solche Feierstunde stattfand. Und so stand die Veranstaltung im Stadtgemeinschaftshaus dann auch unter dem Motto "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne".
Klein und individuell
Normalerweise hätte es auch für die Alslebener Schüler eine zentral von einem Verein organisierte Veranstaltung in Bernburg gegeben – zusammen mit vielen anderen Jugendlichen. Aber das habe bei den Eltern für lange Gesichter gesorgt, schildert Anja Twietmeyer, die stellvertretende Bürgermeisterin (CDU). Daher haben die Eltern die Organisation einer eigenen Feier selber in die Hand genommen. "Wir haben gedacht: Das schaffen wir auch allein", sagt Ulf Ziegler vom Organisationsteam. Denn sie wollten ihren Kindern eine kleine, individuelle Feierstunde ermöglichen. Und das für möglichst wenig Geld, betont er.
Nach einem ersten Treffen im April, auf dem die Aufgaben verteilt wurden, ging alles relativ schnell. Er selber war beispielsweise für die Bühne, das Rednerpult und die Technik zuständig, erzählt Ziegler, der die Feier zusammen mit fünf Mamas auf die Beine gestellt hat. Andere haben sich um die Blumen gekümmert. Aber auch die Stadt und der Bauhof hätten die Eltern toll unterstützt, erzählt Ziegler. So habe die Stadt das Stadtgemeinschaftshaus kostenfrei zur Verfügung gestellt. Bürgermeister Alexander Siersleben (CDU) war es schließlich, der die Achtklässler in einem feierlichen Akt in den Kreis der Erwachsenen aufnahm.
Die Jugendlichen selber haben in Vorbereitung auf das Ereignis ehrenamtliche Einsätze in der Stadt, im Schwimmbad und im Seniorenwohnheim geleistet, begleitet von Gesprächen eingebettet in den Sozialkundeunterricht.
Zur eigentlichen Feier wurde Karsten Richter aus Bernburg als der erste Direktor der Schule eingeladen, der die jungen Leute seit Beginn der Schulzeit an der eben neu eröffneten Sekundarschule im Jahre 2021 kennt. Sowohl er als auch der Bürgermeister gaben den Jugendlichen in ihren Redebeiträgen Verschiedenes auf den Weg. Vor allem Gemeinschaft, gegenseitige Unterstützung und das Erleben all des Neuen, was da kommt – und zwar "offline" und dafür "live" wünschten sie sich für die jungen Leute. "Die Gesellschaft braucht jeden Einzelnen und gemeinsam bilden wir den Staat", war ein wichtiger Appell des Bürgermeisters. John Wagner beleuchtete den "Ernst des Lebens" und machte Mut auf "Ausprobieren, was zu einem passt", Mut, Umwege zu nehmen und "sich nicht beirren zu lassen auf dem Weg zum persönlichen Glück".
Mit teils auf das Fest umgedichteten Liedern und großartiger Stimme, berichtet Anja Twietmeyer, prägten Nicole und Robert von der Band "Grundrausch'n" den Rahmen – und brachte schon da so manchen aus der tapfer gehüteten Fassung, sodass Taschentücher gereicht werden mussten. Bürgermeister Alexander Siersleben und die Direktorin der Sekundarschule Sylvia Mädel übergaben in einem feierlichen Akt schließlich die Urkunde und einen Stift mit dem Aufdruck "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne". Wem es dann noch an Rührung fehlte, wurde bei der Dankesrede der nun Neu-Erwachsenen bedient: Emotional wurde Eltern und auch Lehrern für Verständnis, Sorge und Liebe gedankt, die es auf dem Weg bis zu diesem Augenblick gebraucht hatte.
Sektempfang und Ballons
Mit Sektempfang zu Beginn und Luftballons am Ende der Veranstaltung inklusive Wunschkärtchen waren sich alle einig: Eine schöne Veranstaltung, die es wert ist, in Erinnerung zu bleiben. "Wir haben es für unsere Kinder gemacht", betont Ulf Ziegler. Das Geld, was am Ende übrig blieb, soll in die Klassenkasse fließen, kündigt er an.
Er und auch die Vertreter der Stadt hoffen, dass sich auch in den nächsten Jahren engagierte Eltern finden, die eine Jugendweihe in Alsleben organisieren.
Mitteldeutsche Zeitung, Jessen (Tageszeitung) vom 08.05.2025, S. 17 |
In Bad Schmiedeberg haben sich Eltern gegen offizielle Jugendweihe in Wittenberg entschieden und eigenen "Teenday" organisiert. Die Feier soll persönlicher und familiärer sein. Was geplant ist.
Von Paul Damm
Pretzsch/MZ. In Bad Schmiedeberg wird in diesem Jahr nicht über den klassischen Weg gefeiert. Statt der üblichen Jugendweihe über den Verein in Wittenberg haben sich drei Mütter aus der Kurstadt entschieden, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sie nennen es "Teenday" – eine Art alternative Jugendfeier, organisiert für und mit 24 Achtklässlern der Schmiedeberger Sekundarschule. An diesem Sonnabend um 11 Uhr werden die Jugendlichen ihren "großen Tag " begehen.
Nancy Eckert, Nicole Ulrich und Sandra Krensel bilden das Organisationsteam. "Wir wollten was Persönlicheres – nicht die große Nummer in Wittenberg, wo man einfach durchgeschleust wird", berichtet Eckert. Dort sei es zwar professionell, aber wenig familiär. "Man sitzt, hört sich das Programm an, bekommt die Urkunde, macht danach ein Foto – fertig. Wir wollten mehr Nähe, mehr Individualität."
Üppiges Programm geplant
Gefragt wurde im Vorfeld, ob überhaupt Interesse an einer eigenen Veranstaltung besteht. Die Mehrheit der Eltern war dafür. Ein Saal im Pretzscher Schlosscafé wurde angemietet, ein Konto eingerichtet, ein Budget aufgestellt. Alles transparent – und alles in Eigenregie. "Das Kurhaus in Bad Schmiedeberg war übrigens keine Option – zu groß, zu teuer", sagt Nicole Ulrich. Mit den Planungen haben die drei Mütter bereits im Spätsommer 2024 begonnen. Mit Probezeiten, Sitzplänen, Einladungen, Musik und Reden. Die knapp 200 Gäste werden ein zweistündiges Programm erleben: eine Sängerin aus Großwig, ein Auftritt der Grundschule Trebitz, Tänze der Wartenburger Prinzengarde, Reden von Elternsprechern, Urkundenübergabe durch Lehrer. Besonders viel Mühe steckt auch in der Planung der Geschenke. Die Jugendlichen erhalten personalisierte Urkunden – Jungs in blau-grün, Mädchen in pink und lila. Statt des "klassischen" Jugendweihebuchs gibt es Spardosen mit Bildern: eins von heute, eins aus Kindertagen. Was einfach klingt, war in der Praxis aufwendiger als gedacht. "Allein die passenden Kinderfotos zusammenzutragen, war ein Kraftakt", sagt Ulrich. Dazu gibt es noch kleine Gastgeschenke und Taschentücher. "Für die emotionalen Momente", fügt Nicole Ulrich hinzu, die davon ausgeht, dass viele Eltern sicher ein paar "Tränchen" verdrücken werden.
Geschwister haben Aufgabe
Die Übergabe erfolgt feierlich auf der Bühne in kleinen Gruppen durch Lehrer der Bad Schmiedeberger Sekundarschule. Kleine Geschwister werden als Blumenkinder den symbolischen Teil übernehmen und Blumen sowie Geschenke an die Jugendlichen weiterreichen, sagt Eckert.
Ein Überraschungstanz einiger Teenies ist ebenfalls geplant. "Den proben sie heimlich, wir kennen ihn selbst noch nicht", sagt Ulrich. Generalprobe ist einen Tag vorher. Dann soll alles sitzen. "Die Kinder stehen im Mittelpunkt – deshalb sitzen sie vorn. Nicht zwischen den Familien, wie das vielleicht anderswo der Fall ist", heißt es von dem Organisations-Trio.
Ein weiterer Grund, die Feier lokal zu organisieren, war der frühe Beginn der Jugendweihe in Wittenberg. Dort startet das Programm nämlich schon 9 Uhr. Aus Sicht der Eltern viel zu zeitig. "Wenn man von hier oder aber aus den umliegenden Dörfern kommt, muss man um 7 Uhr losfahren – und bei Mädchen heißt das: aufstehen um fünf", sagt Eckert. "Haare, Make-up, Kleid – das ist kein entspannter Start in den Tag." Beim Teenday beginnt die Feierstunde daher bewusst erst um 11 Uhr. Und bis nach Pretzsch ist der Weg für die meisten Besucher deutlich kürzer.
Trotz aller Vorfreude war die Organisation der Feier aufwendig. "Das Ganze war ein Fulltime-Projekt neben Job und Familie", sagt Krensel. "Mehr als drei Leute im Orga-Team wären aber auch nicht gegangen." Die Entscheidung, sich vom Modell des Vorjahres zu lösen – damals waren es etwa acht Mütter – habe sich als richtig erwiesen. Unstimmigkeiten habe es nie gegeben. "Zur Abschlussfeier treten wir aber nicht nochmal an", sagen alle.
Und was kommt danach?
Nach der offiziellen Feierstunde ist der Tag für viele noch lange nicht zu Ende. Vor dem Saal und in der Umgebung – beispielsweise direkt am Schloss oder am Eingangsportal – ist Zeit für Gruppenfotos, Einzelporträts, aber auch spontane Schnappschüsse. Fotografin Susen Lieschke begleitet das Geschehen.
Konfessionsfreie Organisationen und Kirchen |
T-Online.de am 09.05.2025 |
Die katholische Kirche in Berlin blickt zuversichtlich auf das neue Pontifikat. Erzbischof Koch zeigt sich vom neuen Papst beeindruckt.
Berlins Erzbischof Heiner Koch (Archivbild): Er hatte nicht so schnell mit einer Wahl gerechnet. (Quelle: Soeren Stache/dpa/dpa-bilder)
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch hat sich erfreut über die Wahl des neuen Papstes Leo XIV. geäußert. "Wir blicken hoffnungsvoll und erwartungsvoll auf das neue Pontifikat", sagte Koch in einer ersten Stellungnahme.
Der Erzbischof zeigte sich zuversichtlich, schnell mit dem neuen Kirchenoberhaupt ins Gespräch zu kommen. Er wolle Leo XIV. die Stärken und Probleme der deutschen Kirche nahebringen. "Mein erster Eindruck vom neuen Papst ist ein sehr gewinnender", betonte Koch.
Koch begrüßte die zügige Entscheidung des Konklaves: "Ich bin sehr froh, dass sich die Kardinäle so schnell auf einen Heiligen Vater geeinigt haben." Er selbst habe erst am Freitag mit weißem Rauch gerechnet. "Nun bin ich froh, dass es für eine Weltkirche sehr schnell gegangen ist", sagte er.
Deutschlandfunk Online am 04.05.2025 |
Berlins evangelischer Bischof Stäblein hat nach dem mutmaßlich rassistischen Angriff auf den Ehemann einer Pfarrerin zur Solidarität mit der Familie aufgerufen.
Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, bei einem ökumenischen Gottesdienst. (Archivbild) (picture alliance/ dpa/ Christian Ditsch)
Das berichtete der EPD. Die Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses, Haghanipour (Grüne), forderte bei einer Solidaritätskundgebung mit rund 300 Teilnehmern eine lückenlose Aufklärung der Tat. Zu der Kundgebung in Berlin-Baumschulenweg gegen Hass und Rassismus hatte unter anderem das Bündnis für Demokratie und Toleranz in Treptow-Köpenick aufgerufen.
Die genauen Hintergründe der Gewalttat sind unklar. Der Überfall auf den 44-jährigen, aus Bangladesch stammenden Ehemann der Gemeindepfarrerin Carmen Khan ereignete sich den Angaben zufolge in der Nacht zum 27. April kurz vor Mitternacht vor dem Hauseingang direkt neben der Kirche. Khan war auf dem Nachhauseweg von der Arbeit, als er von einer Gruppe Unbekannter angegriffen und zusammengeschlagen wurde. Er erlitt unter anderem einen Nasenbeinbruch, Prellungen und Platzwunden. Seine Frau sagte dem "Tagesspiegel", sie gehe von einem rassistischen Motiv aus. Eine Anwohnerin berichtete von einer Gruppe Rechtsextremer, die sich bereits in den Stunden vor dem Angriff im Umfeld der Kirche aufgehalten habe. Nach Angaben der Polizei gibt es "nach bisherigen Erkenntnissen keine Hinweise auf eine politische Motivation".
Diese Nachricht wurde am 04.05.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.
Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (Internet-Publikation) am 05.05.2025 |
Ökumenischer Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche zum 80. Jahrestag des Kriegsendes in Europa
Am 8. Mai 2025 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa zum 80. Mal. Anlässlich dieses Jahrestags der Befreiung vom Nationalsozialismus münden zahlreiche Veranstaltungen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) in einen zentralen ökumenischen Gedenkgottesdienst in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche (KWG) um 18 Uhr , zu dem die EKBO gemeinsam mit dem Erzbistum Berlin herzlich einlädt.
Mit der Ruine ihres alten Turms und der spirituellen Kraft des neuen Kirchengebäudes bleibt die KWG im Herzen Berlins ein weltbekanntes Mahnmal gegen den Krieg und für Frieden und Versöhnung. An diesem Ort erinnert die EKBO gemeinsam mit dem Erzbistum Berlin und der Jüdischen Gemeinde Sukkat Schalom am Jahrestag des Kriegsendes voller Trauer an das Leid und die Zerstörung durch den Zweiten Weltkrieg. Der Blick geht aber nicht nur zurück. Auftrag ist vor allem, aus der eigenen Geschichte zu lernen. Es geht um ein "Erinnern nach vorne" - für eine Zukunft voller Frieden und Versöhnung.
Mitwirkende am ökumenischen Gottesdienst sind Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama, Erzbischof Dr. Heiner Koch, Bischof Dr. Christian Stäblein, Pfarrerin Marion Gardei, Pfarrerin Kathrin Oxen, Dr. Wolfgang Schneiderhan, Präsident Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge; Levan Zautashvili, Orgel, und Bläser des Stabsmusikkorps der Bundeswehr.
Gemeinsam mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, der Berliner Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und der Internationalen Nagelkreuzgemeinschaft werden schon ab 14 Uhr verschiedene Veranstaltungen und Podien in der Kapelle und der Kirche angeboten .
Folgende Veranstaltungen und Podien finden am 8. Mai, vor dem abendlichen Gottesdienst um 18 Uhr, in der Kapelle und der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche statt:
14.00 UHR · KAPELLE
"Schicksale klären - Frieden finden"
Die Arbeit des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge
mit Dominik Tomenendal, Referatsleiter Erinnerungskultur
14.30 UHR · KAPELLE
"Frieden in Zeiten des Krieges?"
Die friedensethische Diskussion in der Gegenwart
mit Renke Brahms, ehemaliger Friedensbeauftragter der EKD
15.00 UHR · KIRCHE
"Licht - Leben - Liebe"
Die Botschaft der Stalingradmadonna
mit Dr. Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter des Rates der EKD
15.30 UHR · KIRCHE
"Erinnerung und Engagement"
Die Freiwilligenarbeit von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste
mit Jutta Weduwen, Geschäftsführerin, und Dr. Marie Hecke, Vorstandsmitglied
16.00 UHR · KIRCHE
"Neuanfänge nach der Shoa"
Die Berliner Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit
mit Jessica Weil, Bernd Streich und anderen
16.30 UHR · GEDENKHALLE
"Vater vergib" - Die Versöhnungsarbeit der Internationalen Nagelkreuzgemeinschaft
mit Dean John Whitcombe, Coventry, und Pfarrerin Kathrin Oxen
17.00 UHR · GEDENKHALLE
"Gemeinsam für den Frieden"
Friedensgebet des "House of One"
mit Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama, Imam Kadir Sanchi und Pfarrerin Marion Gardei
18.00 UHR · KIRCHE
"Zukunft und Hoffnung"
Ökumenischer Gottesdienst zum Tag der Befreiung am 8. Mai
mit Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama, Erzbischof Dr. Heiner Koch, Bischof Dr. Christian Stäblein, Pfarrerin Marion Gardei, Pfarrerin Kathrin Oxen, Dr. Wolfgang Schneiderhan, Präsident Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge; Levan Zautashvili, Orgel; Bläser des Stabsmusikkorps der Bundeswehr
CA. 19.15 UHR
Glockenläuten für den Frieden
Nach dem Gottesdienst läuten die Glocken der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
15 Minuten lang für den Frieden.
Im Anschluss an den Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche wird Bischof Stäblein im Berliner Dom an einer Gesprächsrunde teilnehmen. Der Berliner Dom nimmt das Gedenken zum Anlass für einen besonderen Gottesdienst mit anschließendem Gespräch. Im Mittelpunkt des Abends steht die Erinnerung an das Ringen insbesondere der osteuropäischen Staaten gegen die nationalsozialistische Diktatur. Ihr Anteil an der Befreiung Deutschlands hat im kollektiven Gedächtnis kaum Beachtung gefunden und damit auch wenig Würdigung erfahren.
Die Predigt zum Gedenkgottesdienst im Berliner Dom hält Pfarrer Oleksandr Grossaus Odessa , stellvertretender Bischof der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche der Ukraine. Im anschließenden Gespräch, das Markus Meckel moderiert, kommen neben Oleksandr Gross der leitende Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen Jerzy Samiec aus Warschau und die orthodoxe Theologin Natallia Vasilevich aus Belarus zu Wort, die in Deutschland im Exil und in der Organisation "Christian Vision" aktiv ist. Ein weiterer Gesprächsteilnehmer ist Prof. Dr. Peter Steinbach , Initiator und langjähriger Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und Bischof Dr. Christian Stäblein.
(Pressemitteilung EKBO)
NDR Online am 08.05.2025 Von der Kanzel ins Ministerium: Bischöfin Bahr wechselt nach Berlin |
Die hannoversche Regionalbischöfin Petra Bahr wird Staatssekretärin im Familienministerium von Ministerin Karin Prien (CDU). Das teilte die evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover am Mittwoch mit.
Die 59-Jährige stand seit 2017 an der Spitze des Kirchenbezirks Hannover und ist seit 2020 Mitglied im Deutschen Ethikrat. Nach einer journalistischen Ausbildung studierte sie Theologie und Philosophie, ihre Doktorarbeit schrieb sie über Immanuel Kant. Laut Landeskirche war Bahr Kulturbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und baute in Berlin das Kulturbüro auf. Auch leitete sie die Hauptabteilung Politik und Beratung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Hörerinnen und Hörer des NDR ist Bahr aus dem Podcast "Bleib Mensch!" mit Moderator Arne Torben Voigts bekannt.
Meister: Bahr hat wichtige Impulse gesetzt
Landesbischof Ralf Meister dankte Bahr: Sie habe das Amt der Regionalbischöfin in besonderer Weise gestaltet und wichtige Impulse gesetzt. "Ihre Klugheit und scharfsinnige analytische Sichtweise werden uns fehlen", so Meister. Zugleich freue er sich, "dass Petra Bahr als Theologin und Ethikerin an so herausragender Stelle gesellschaftspolitische Verantwortung für unser Land übernimmt."
epd Landesdienste (Nachrichtenagentur) 07.05.2025 |
Berlin (epd). Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) bekommt im Mai 18 neue Pfarrerinnen und Pfarrer. Dazu sind drei Ordinationsgottesdienste geplant, mit denen die acht Frauen und zehn Männer von Bischof Christian Stäblein in den Pfarrdienst eingeführt werden, wie die Landeskirche am Mittwoch in Berlin mitteilte.
Der erste Gottesdienst findet am Sonntag in der Klosterkirche St. Nikolai in Prenzlau statt. Es folgen Ordinationsfeiern am 17. Mai in der Christophoruskirche in Berlin-Siemensstadt und am 25. Mai in der Peter-Paul-Kirche in Senftenberg. Neben dem Bischof sind die jeweiligen Generalsuperindenten sowie Vertreter des Präsidiums der Landessynode dabei.
Die neuen Pfarrerinnen und Pfarrer kommen in allen Regionen der EKBO zum Einsatz. So vielfältig wie die Einsatzorte seien auch die künftigen Aufgaben, hieß es. Dazu gehörten klassische Gemeindepfarrstellen, gemeindepädagogische Arbeit, die Erprobung missionarischer Gestaltungsräume oder eine Kreispfarrstelle für Ausländerseelsorge.
Ordinationen finden in der EKBO zweimal im Jahr statt. Damit erhalten die Theologen und Theologinnen das Recht zur öffentlichen Wortverkündigung und zur Verwaltung der Sakramente. Sie dürfen also künftig eigenständig Gottesdienste leiten, das Abendmahl feiern und Menschen taufen. Zu ihrem Dienst gehört außerdem die Seelsorge und der Konfirmandenunterricht, gelegentlich auch der Religionsunterricht.
epd ost phi mg