Rubrik im PS: | Hochschule Weihenstephan-Triesdorf - HSWT |
Autor: | Dr. Norman Gentsch, Dr. Diana Heuermann, Prof. Dr. Barbara Reinhold-Hurek, Robin Kümmerer, Jonas Schön, Dr. Matthias Westerschulte |
Auflage: | 18.797 |
Reichweite: | 71.617 |
Ressort: | Panorama |
Theorie trifft Praxis
Zwischenfrüchte tragen langfristig zur Erhaltung und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit sowie der vielfältigen Bodenfunktionen bei. Wie das Zusammenspiel von Pflanzen, Boden und Mikroorganismen funktioniert, zeigen die Ergebnisse eines neunjährigen Verbundprojektes. Unsere Autoren stellen sie vor.
In den vergangenen Jahren haben immer mehr Landwirte Zwischenfrüchte in ihre Fruchtfolgen aufgenommen. Dass deren Anbau vielfältige positive Effekte mit sich bringt, ist unstrittig. Dennoch besteht nach wie vor viel Forschungsbedarf zu dem Thema. Das neunjährige Projekt CATCHY (siehe Kasten) brachte spannende und teils unerwartete Ergebnisse, die jedoch auch viele neue Fragen aufwarfen.
Wir stehen am Anfang einer neuen Sichtweise auf den Zwischenfruchtanbau. Denn dieser ist mehr als nur eine Maßnahme zur Reduzierung von Bodenerosion und Nährstoffausträgen. Es handelt sich um ein multifunktionales Werkzeug, um Prozesse im Boden zielgerichtet zu beeinflussen.
Werden durch den Anbau von Zwischenfrüchten die Biodiversität in Agrarökosystemen erhöht und Bodenfunktionen positiv beeinflusst? Dies war die Ausgangsfrage des Projektes. Ökosystemstudien in den vergangenen Jahrzehnten konnten nachweisen, dass mit steigender Zahl an Pflanzenarten in natürlichen Habitaten Stoffkreisläufe, Wasser- und Energieflüsse effizienter werden. Gleichzeitig sinkt der Schädlings- und Krankheitsdruck, und die Kohlenstoffsequestrierung und die Klimaregulation werden positiv beeinflusst.
Biodiversität ist also der Schlüssel zu multifunktionalen und damit resilienten Ökosystemen. Mit Zwischenfrüchten lassen sich solche auf Biodiversität beruhenden Funktionen auch in den Ackerbau integrieren. Vor diesem Hintergrund stand zu Projektbeginn die Hypothese, dass biodiverse Zwischenfruchtmischungen möglicherweise Reinsaaten überlegen sein könnten. Durch gezielte Kombination von Pflanzenarten mit genetischer Diversität und damit Unterschieden in morphologischen Merkmalen, Nährstoffanforderungen und Biomassequalitäten sollten Mischungen entstehen mit dem Ziel, die positiven Funktionen des Zwischenfruchtanbaus zu maximieren.
Die Auswahl der Zwischenfrüchte sollte möglichst alle wichtigen Pflanzenfamilien repräsentieren: Rauhafer die Gräser, Senf die Kreuzblütler und Klee die Leguminosen. Phacelia ist als Wasserblattgewächs zwar mit keiner unserer Kulturpflanzen verwand, aber in der Praxis eine wichtige Zwischenfrucht. Diese vier Pflanzenarten wurden als Reinsaaten und in einer Mischung (Mix4) gegen eine Brache als Kontrolle getestet (Kasten). Zusätzlich wurde eine kommerzielle Mischung aus zwölf Komponenten mit etwa 25 % Leguminosen im Samenanteil (Mix12) untersucht.
Ergebnisse. Die Zwischenfruchtvarianten (Reinsaaten sowie Mischungen) zeigten keine statistisch signifikanten Unterschiede im Ertrag der Sprossbiomasse. Lediglich der Klee entwickelte nur etwa die Hälfte der Biomasse der anderen Varianten. Die Biomasseerträge der Mischungen waren jedoch über die Jahre stabiler als die der Reinsaaten und unterlagen weniger witterungsbedingten Schwankungen.
Überlegenheit zeigten Mischungen besonders bei der Entwicklung der Wurzeln. Zwischen 1,3 und 3,9 t/ha mehr Wurzelbiomasse wurde in Mix4 im Vergleich zu den Reinsaaten gemessen. Einen weiteren Vorteil lieferten Mischungen in ihrer Nährstoffanreicherung in Spross und Wurzel (Grafik). Typischerweise zeigen Pflanzenarten spezifische Nährstoffprofile, indem sie sich bestimmte Nährstoffe in höherem Maße aneignen, andere wiederum in geringerer Menge. Unter den im CATCHY-Projekt betrachteten Arten enthielt Senf beispielsweise viel Schwefel, aber wenig Calcium oder Phacelia viel Phosphor, aber wenig Schwefel (Grafik). Im Mix4 wurden beide Pflanzenarten mit Rauhafer und Klee kombiniert.
Entsprechend fanden sich im Mix4 ausreichend Phosphor und Schwefel, aber auch Stickstoff und Kalium. Mix12 zeigte das höchste Potential zur Anreicherung der meisten Makround Mikronährstoffe. Mischungen führten also zu ausgewogeneren Nährstoffverhältnissen in Spross und Wurzel und zur Maximierung der Menge und des Spektrums der aufgenommenen Nährstoffe. Hier fanden wir Parallelen zu Beobachtungen aus natürlichen Ökosystemen, in denen Biodiversität in Zusammenhang mit engen Nährstoffkreisläufen steht.
Wichtig sind ausbalancierte Nährstoffverhältnisse besonders für die mikrobielle Zersetzergemeinschaft und damit für die Geschwindigkeit der Zersetzung und Nährstofffreisetzung. Das C: N-Verhältnis ist hierbei einer der wichtigsten Parameter. Je enger, desto schneller werden Streustoffe umgesetzt und Nährstoffe mineralisiert. Zersetzungsexperimente zeigten, dass P, K, Ca, Fe und Al gleichfalls wichtig für mikrobielle Stoffumsätze sind. Ausgeglichene Elementverhältnisse in der Zwischenfruchtbiomasse führten bei deren Zersetzung zu einer größeren und vielfältigeren mikrobiellen Biomasse, deren Menge von Reinsaaten über Mix4 bis Mix12 anstieg.
Die effizientere Zersetzung spiegelt sich im Nährstoffpool des Bodens und im Nährstoffübertrag an die Folgekultur wider. Insgesamt wurden von Mix12 im Vergleich zu den anderen Varianten mehr Nährstoffe und ein breiteres Nährstoffspektrum an die Folgekultur Mais übertragen. Das bedeutet, Zwischenfruchtmischungen tragen zu einer ausgewogeneren Pflanzenernährung bei.
Doch nicht nur die Streuqualität, auch die direkte Abgabe von Substanzen in den Wurzelraum wird von Zwischenfrüchten entscheidend beeinflusst. Pflanzen geben als Wurzelexsudate eine komplexe Mischung an unterschiedlichen Substanzen in die Rhizosphäre ab. Darin enthalten sein können z. B. Kohlenhydrate, Proteine, organische Säuren, Aminosäuren, Hormone, Vitamine, Enzyme u. v. m. Diese dienen u. a. zur direkten Nährstoffmobilisierung, zur Kommunikation mit Mikroorganismen, als deren Nahrungsquelle, können aber auch antimikrobielle Substanzen enthalten.
Am Beispiel der Reinsaaten Senf, Klee, Rauhafer und Phacelia wurden die Profile der Sekundärmetabolite (Ausscheidungen der Wurzel) in der Rhizosphäre untersucht. Bis zu 600 verschiedene Sub stanzen waren in der Rhizosphäre nachzuweisen, von denen jedoch nur ein Bruchteil in ihrer chemischen Gestalt und Funktion überhaupt bekannt ist. Das Interessanteste dabei: Jede Pflanzenart wies ein ganz spezifisches Metabolitprofil auf, über das sie mit dem Boden und den Bodenlebewesen spezifisch in Kontakt tritt. Das bedeutet, bei einer Kombination unterschiedlicher Pflanzenarten erhält man nicht nur eine Mischung an Nährstoffen in Spross und Wurzelmasse, sondern auch eine Mischung der Wurzelexsudate.
Wie effizient wandeln Zwischenfrüchte CO 2 aus der Atmosphäre in Photosyntheseprodukte um und stellen sie für mikrobielle Prozesse im Boden zur Verfügung? Auch hier steigen die Werte mit der Zahl der Arten. Mischungen zeigten eine höhere Photosytheseleistung und Transport von -produkten in die Rhizosphäre. Dort nährten sie die mikrobielle Gemeinschaft. Als Konsequenz stiegen die Menge der mikrobiellen Biomasse und deren Aktivität unter Zwischenfruchtmischungen im Vergleich zu Reinsaaten an. Hauptsächlich die Bodenpilze, die besonders für die Strukturbildung im Boden verantwortlich sind, profitieren von den Mischungen.
Mikrobielle Fingerabdrücke. Pflanzen beeinflussen die mikrobielle Gemeinschaft im Boden direkt über die Qualität ihrer Streu und durch ihre Wurzelexsudate. Indirekte Einflüsse üben Pflanzen über Veränderung von Bodenparametern wie z. B. pH-Wert, Wasserhaushalt oder Sauerstoffverfügbarkeit aus. Die mikrobiellen Fingerabdrücke von Zwischenfrüchten wurden in Proben des wurzelfreien Bodens, im Rhizosphärenboden und in den Wurzeln von Zwischenfrüchten und der Folgekulturen mittels Sequenzierung des genetischen Materials untersucht.
Dabei zeigte sich deutlich, dass die Wurzeln der einzelnen Pflanzenarten von unterschiedlichen Mikroorganismen besiedelt werden. Ein Großteil der Mikroben ließ sich an allen Zwischenfruchtarten wiederfinden. Doch es gab spezifische Organismen, die nur zusammen mit bestimmten Pflanzenarten auftraten. Zum Beispiel fanden wir Nitrobacter (= Bakterien, die am Stickstoffumsatz im Boden beteiligt sind) speziell bei Klee. Jede Zwischenfrucht hinterlässt also eine bestimmte mikrobielle Gemeinschaft im Boden. Die Keimlinge der Folgekultur rekrutieren ihr Mikrobiom vor allem aus dem Boden. Das heißt, die Vegetationshistorie ist wichtig für das Mikrobiom in und auf der Kulturpflanze. Je höher die mikrobielle Diversität im Boden ist, desto vielfältiger sind die Gruppen von Mikroorganismen, aus denen die Pflanzen wählen können. Das Wurzelmikrobiom ist wichtig für Stoffwechselprozesse und die Nährstoffaneignung der Pflanze.
Tatsächlich ließen sich bestimmte Mikroorganismen nur nach ganz bestimmten Zwischenfrüchten in den Maiswurzeln feststellen oder traten dort häufiger auf. Es zeigte sich die Tendenz, dass nicht nur im Boden, sondern auch in den Wurzeln der Maispflanzen nach Zwischenfruchtmischungen eine höhere Pilzdiversität zu finden war im Vergleich zu Reinsaaten und zur Brache. Besonders nach Mix12 wurden in Maiswurzeln Bakteriengemeinschaften mit positivem Einfluss auf den Stickstoffkreislauf gemessen.
Insgesamt waren aber auch in den Reinsaaten (besonders Phacelia) Mikrobengemeinschaften mit Funktionen zur Nährstoffmobilisierung, als Biokontrollmittel gegen Schaderreger, Schadinsekten oder Nematoden zu finden, was nach der Brache nicht der Fall war. Die Ergebnisse zeigen, dass Zwischenfrüchte ein Werkzeug sein können, um mikrobielle Gemeinschaften im Boden und der Fruchtfolge aktiv zu beeinflussen. Allerdings reichen die Ergebnisse noch nicht aus, um hieraus allgemeingültige Empfehlungen für die Zusammensetzung und den Einsatz von Mischungen ableiten zu können. Im Projekt konnten wir nur wenige von vielen denkbaren Pflanzenkombinationen detailliert untersuchen.
Zwischenfrüchte aktivieren die "mikrobielle C-Pumpe". Humusaufbau und die Erhöhung der C org -Gehalte im Boden sind stark davon abhängig, wie effizient die mikrobielle Gemeinschaft Einträge über Spross und Wurzel der Zwischenfrüchte nutzt. Das bedeutet, die Qualität der Nahrungsgrundlage der Bodenorganismen entscheidet darüber, wie viel Kohlenstoff mineralisiert wird und als CO 2 den Boden verlässt bzw. als C org im Boden verbleibt. Erst durch den mikrobiellen Stoffwechsel entstehen stabile Humusverbindungen, die den größten Teil (> 80 %) des Humuskörpers ausmachen. Je eher nun die Streu den Nahrungsbedürfnissen der mikrobiellen Gemeinschaft entspricht, desto effizienter arbeiten diese.
Für den Humusaufbau ist nicht ein maximaler C-Gehalt in der Zwischenfrucht entscheidend, sondern das richtige Verhältnis von C zu N, P oder K. Hier zeigte sich, dass besonders Mix12 und Klee sehr effizient die "mikrobielle C-Pumpe" aktivierten und den C org -Transfer in den Humuskörper erhöhten. Doch auch alle anderen Varianten führten im Vergleich zur Brache zum Humusaufbau. Die abschließende C org -Inventur ist noch in Arbeit.
Da die Bodenstruktur stark vom Humusgehalt, der Durchwurzelungsintensität und der Bodenorganismentätigkeit abhängt, fanden sich auch hier positive Zusammenhänge. Zwischenfrüchte trugen zur Bildung größerer Bodenaggregate bei und steigerten deren Stabilität im Mittel um 13 %. Dabei waren Mischungen im Schnitt etwa 6 % effektiver als Reinsaaten. Durch die Verbesserung der Bodenstruktur und des Humusgehalts veränderte sich langfristig auch die Wasserverfügbarkeit für die Folgekulturen.
Ertragseffekte und Wirtschaftlichkeit. Letztlich sind in der Praxis die Auswirkungen der Zwischenfrüchte auf die Erträge der Hauptkulturen und die Wirtschaftlichkeit entscheidend. Die Art der angebauten Zwischenfrucht beeinflusste Ertragsfaktoren der Folgekulturen unterschiedlich. Die Effekte können sowohl negativ als auch positiv sein und verschiedene Phasen der Ertragsbildung betreffen. Über alle Versuchsjahre und Standorte erzielte Silomais nach Zwischenfrüchten einen Mehrertrag gegenüber der Brache von durchschnittlich 0,8 %. Mais, der nach Zwischenfruchtmischungen angebaut wurde, brachte im Mittel 1,1 % höhere Erträge als Mais, der nach Reinsaaten stand.
Winterweizen als zweite Hauptkultur nach der Zwischenfrucht zeigte Ertragssteigerungen zwischen 1 und 4 % gegenüber der Brache. Auch hier lagen die Mischungen etwas höher. Selbst wenn diese Ertragssteigerungen eher gering erscheinen, zeigen unsere Ergebnisse, dass die vielen Vorteile des Zwischenfruchtanbaus genutzt werden können, ohne Ertragseinbußen hinnehmen zu müssen. Die wirklichen Stärken spielte der Zwischenfruchtanbau in Trockenjahren aus. In 2018, 2019 und 2020, in denen Mais deutlich unter Wassermangel litt, stieg der Silomaisertrag nach Zwischenfrüchten im Mittel um 11 % gegenüber der Brache.
Bei der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit unter Einbezug aller für einen Produktionsverfahrensvergleich relevanten Leistungen und Kosten stellte sich der Zwischenfruchtanbau als eine sinnvolle ökonomische Entscheidung dar. Den größten Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit hatten die Ertragssteigerung sowie die Einsparung von Düngemitteln bei der Folgefrucht. Auch der CO 2 -Fußabdruck des Anbausystems kann durch die Integration von Zwischenfrüchten in die Fruchtfolge gesenkt werden.
Dr. Norman Gentsch, Universität Hannover, Dr. Diana Heuermann, IPK, Gatersleben, Prof. Dr. Barbara Reinhold-Hurek, Universität Bremen, Robin Kümmerer & Jonas Schön, Hochschule Weihenstephan Triesdorf , Dr. Matthias Westerschulte, DSV, Lippstadt
Weiterführende Projektergebnisse und Prozessbeschreibungen finden Sie ab Ende Februar 2024 unter: www.bonares.de