Prof. Dr. Nida-Rümelin

Süddeutsche Zeitung Online am 05.05.2025 (Internet-Publikation, München)

 
Rubrik im PS:Prof. Dr. Nida-Rümelin
Autor:Vivien Timmler, Christian Zaschke
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Das ist das neue Kabinett

Nach der Union hat auch die SPD ihre Kandidatinnen und Kandidaten präsentiert. Das Bundeskabinett steht damit fest. Der Überblick.

Vor einer Woche präsentierte die Union ihre Ministerinnen und Minister, am Montag folgte nun der Koalitionspartner. Das neue Bundeskabinett steht damit fest.

Die SPD stellt mehr Frauen als Männer und tauscht bis auf Verteidigungsminister Boris Pistorius alle Kabinettsmitglieder aus. Auch bei den Unionskandidaten sind einige Überraschungen dabei.

Bundeskanzler

Nicht nur designierter Bundeskanzler, sondern mit 69 Jahren auch zehntältester Abgeordneter des 21. Bundestags. Dass er im Jahr 1955 am 11.11. zur Welt kam, mithin zum Auftakt der Karnevalssession, merkt man ihm nicht an. Hat sich lange Jahre an Angela Merkel abgearbeitet, nun obliegt es ihm, deren Erbe aufzuarbeiten. Steht innen- wie außenpolitisch vor einigen der größten Herausforderungen, denen sich je ein deutscher Kanzler gegenübersah.

Sämtliche Demokraten im Land, ganz gleich welcher Couleur, dürften ihm, dem oft so Impulsiven, beides wünschen: Entschlusskraft und Besonnenheit.

Finanzminister und Vizekanzler

Hat die SPD als Co-Parteichef zu einem historisch schlechten Wahlergebnis geführt (16,4 Prozent) und wird dafür mit dem Finanzministerium und der Vizekanzlerschaft belohnt. Wie er den Moment der Niederlage seiner Partei als Chance für sich selbst erkannt und das Personaltableau nun ganz nach seinen Vorstellungen geformt hat, zeugt von großem politischem Geschick und noch größerem Zug zur Macht.

Als gewiefter Verhandlungsführer der SPD in den Koalitionsverhandlungen hat der 47 Jahre alte Klingbeil viel Überraschendes herausgeholt, darunter auch, dass der 69 Jahre alte Friedrich Merz ihn nun duzt. Als Herr der Finanzen sitzt Klingbeil künftig an den wahren Hebeln der Macht. Er wuchs als Sohn eines Soldaten und einer Einzelhandelskauffrau in Munster auf, es ist das Munster ohne "ü", gelegen in Niedersachsen. Der vormalige Arbeitsminister Hubertus Heil hat die Niedersachsen kürzlich - als er sich noch deren Rückhalt sicher war - als "Brasilianer des Nordens" beschrieben - eine Charakterisierung, die sowohl in Heils als auch in Klingbeils Fall vollumfänglich nicht zutrifft.

Außenminister

Gehört zu den Politikern in der Union, die sich für ein Umdenken im Umgang mit der AfD einsetzen. Sprach sich im April dafür aus, Vertretern der in Teilen rechtsextremen Partei wichtige Posten in Ausschüssen zuzugestehen, "wenn sie in der Vergangenheit nicht negativ aufgefallen sind", so Wadephul. Diese Position ist auch in seiner eigenen Partei umstritten. Wadephul war seit vielen Jahren als stellvertretender Fraktionsvorsitzender zuständig für Auswärtiges, Verteidigung und den Europarat, mithin ist er ein sogenannter "Fachpolitiker".

Als Vorsitzender der Deutsch-Südkaukasischen Parlamentariergruppe im Bundestag verfügt Wadephul, 62, zudem über vergleichsweise kleinteiliges außenpolitisches Wissen. Er wird womöglich weniger einflussreich sein als seine Vorgänger, weil Friedrich Merz einen Nationalen Sicherheitsrat im Kanzleramt installieren will. Das wird im traditionell machtbewussten und stets von sich überzeugten Außenamt mit Skepsis betrachtet.

Innenminister

Lange hieß es, dass Dobrindt mit seiner Position als Landesgruppenchef der CSU vollkommen zufrieden sei. Warum sich ein Ministerium aufbürden? Nun hat Dobrindt, 54, nicht bloß irgendein Ministerium übernommen, er leitet das Ressort des Inneren. Eine undankbare Aufgabe, da die Union versprochen hat, entschlossen für eine Verringerung der Einwanderung zu sorgen, was aber in der Praxis alles andere als einfach wird. Von rechts werden sie auf Dobrindt zeigen, weil er die Erwartungen nicht erfüllt, von links werden sie auf ihn zeigen, weil er zu harsch vorgeht; immer wird er der Buhmann sein.

Einem breiteren Publikum ist Dobrindt als Freund des politischen Wortspiels bekannt. Als er einmal im Jahr 2022 aus heute nicht mehr ganz nachvollziehbaren Gründen auf der Zugspitze weilte, während die Ampelkoalition sich im brandenburgischen Meseberg auf einer Klausurtagung vergnügte, deklamierte er: "Deutschland braucht Zuversicht von der Zugspitze statt Mutlosigkeit aus Meseberg." Niemand hat behauptet, dass er als Freund des guten politischen Wortspiels bekannt ist.

Wirtschaftsministerin

Eine Weile lang galt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann als Favorit für dieses Amt. Dem Vernehmen nach hätte Linnemann sich eine Art Superministerium für sich vorstellen können, wie es einst Wolfgang Clement führte, der von 2002 bis 2005 Minister für Wirtschaft und Arbeit war. Allerdings ging das Arbeitsministerium an die SPD, und so blieb Linnemann auf seinem alten Posten.

Katherina Reiche, 51, war von 1998 bis 2015 Mitglied des Bundestags, unter anderem war sie Staatssekretärin im Umwelt- und im Verkehrsministerium. Anschließend ging die Diplom-Chemikerin in die Wirtschaft, zunächst als Hauptgeschäftsführerin beim Verband kommunaler Unternehmen, seit 2019 arbeitet sie als Managerin in der Energiebranche. Reiche stammt aus Brandenburg, lebt aber seit Langem in Nordrhein-Westfalen, weshalb CDU-Vertreter aus den neuen Bundesländern sie nicht als Ost-Politikerin betrachten. Von denen fordern sie mehr auf wichtigen Posten.

Kritik gab es auch vom Verein Lobbycontrol. Eine Sprecherin sagte der Berliner Zeitung: "Eine Energiekonzern-Chefin soll zur Energieministerin werden - das birgt erhebliche Risiken für Interessenkonflikte." Friedrich Merz focht diese Kritik nicht an, er holte Reiche zurück in die Politik.

Verteidigungsminister

Beliebtester Politiker Deutschlands. Der 65 Jahre alte Pistorius hat als Verteidigungsminister seinen idealen Job gefunden, er wollte im Amt bleiben - und er bleibt es. Jetzt allerdings ist er dazu befugt, deutlich mehr Geld auszugeben, weil Union und SPD mithilfe der Grünen im alten Bundestag noch schnell die Schuldenbremse in Bezug auf die Militärausgaben reformiert haben. Das versetzt Pistorius in die Lage, wirklich etwas bewegen zu können und nicht bloß, wie einige seiner Vorgänger, den Mangel zu verwalten.

In Anbetracht der unruhigen Weltlage kommt seinem Ministerium eine enorme Bedeutung zu; es obliegt ihm, Deutschland im Verbund mit den europäischen Partnern verteidigungsfähig zu machen. Das ist nicht nur logistisch eine riesige Aufgabe, sondern auch in puncto Kommunikation, denn es ist trotz der erwähnten unruhigen Weltlage (Russland, Gaza, Trump) alles andere als einfach, der Bevölkerung zu vermitteln, dass Deutschland eine führende militärische Macht in Europa sein soll.

Arbeits- und Sozialministerin

Allmählich und unaufhaltsam geht Bärbel Bas ihren Weg, weiter und weiter, beständig nach oben. Von einem Hauptschulabschluss hat sie es in der vergangenen Legislaturperiode zur Präsidentin des Deutschen Bundestags gebracht, immerhin das nominell zweithöchste Amt im Staat. Die breitere Öffentlichkeit hatte sie lange nicht so richtig auf dem Schirm, obwohl sie viele Jahre lang Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion war.

Als umsichtige Vorsitzende des Parlaments wurde sie dann einem größeren Kreis bekannt. Dass Bas, 56, ein Ministerium leiten würde, war während der Koalitionsverhandlungen rasch klar, nun ist es Arbeit und Soziales geworden, mithin das SPD-Ministerium schlechthin. Carsten Linnemann (CDU) wird ganz genau beobachten, was sie dort anstellt - er hätte ihren neuen Posten am liebsten selbst gern übernommen.

Justizministerin

Mit ihr zieht nach Karin Prien auf Unionsseite nun schon die zweite Landes-Bildungsministerin in das neue Kabinett ein. Allerdings gibt es bekanntermaßen nur ein Bildungsministerium auf Bundesebene. Gut, dass Stefanie Hubig vor ihrer Zeit in der Politik Richterin war, womit sie auch die Grundqualifikation für das Amt der Bundesjustizministerin erfüllt.

Tatsächlich kennt Hubig das Haus bestens: Vor einem Vierteljahrhundert wechselte sie bereits erstmals dorthin, was zeigt, dass sie definitiv nicht zu Klingbeils großem Generationenwechsel gehört. 2005 stieg die heute 56-Jährige zur Referatsleiterin auf, wechselte dann für ein paar verdienstvolle Staatskanzlei-Jobs nach Rheinland-Pfalz, bevor Heiko Maas sie als Staatssekretärin zurück nach Berlin lockte. Die Bilderbuch-Karriereleiter sah als Nächstes ein Ministeramt auf Landesebene vor, also wechselte sie 2016 in die Mainzer Bildungsbehörde, die auf Google mickrige 1,6 von fünf Sternen hat. Das Bundesjustizministerium verzeichnet immerhin 2,7 Sterne.

Digitalminister

Er übernimmt ein auf Bundesebene neu geschaffenes Ministerium, das als besonders wichtig gilt. Ohne eine umfassende Digitalisierung, so die Meinung an der CDU-Spitze, ist alles nichts. Die Personalie Wildberger ist insoweit interessant, als er tatsächlich von außen kommt. Im Raum stand auch, der hessischen Digitalministerin Kristina Sinemus das Amt anzuvertrauen.

Wildberger, 55, ist studierter Physiker. Und was wird man als Physiker? Erst mal Unternehmensberater, dann Manager von Telefonkonzernen, zwischendurch mal Vorstandsmitglied eines Stromriesen, schließlich Chef der Ladenkette Media Markt und Saturn. Und nun Digitalminister. Ob er das alles auch mit einem Jurastudium hätte werden können? Vermutlich ja. Aber dann hätte er nicht in einem so klingenden Thema wie der "Festkörperphysik" promoviert.

Verkehrsminister

Klar, werden die Insider jetzt sagen, der Schnieder, natürlich wird der Verkehrsminister. Schließlich war er eine Weile Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur. Aber in Wahrheit hatten sie ihn nicht auf der Rechnung. Ina Scharrenbach aus NRW hatte als Favoritin gegolten. Schnieder wird am 1. Mai 57 Jahre alt und bringt eine Besonderheit ins Kabinett: Er ist größer als die Chefs Friedrich Merz (1,98 Meter), Lars Klingbeil (1,96) und Markus Söder (1,94), denn Schnieder misst 2,02 Meter.

Wie Thorsten Frei hat er Erfahrung als Bürgermeister, von 1999 bis 2009 stand er der Gemeinde Arzfeld im Eifelkreis Bitburg-Prüm vor. Fassen wir also noch einmal kurz zusammen: Der Mann ist sehr groß, und er stammt aus der Eifel. Wie lautet also sein Spitzname? Natürlich: Eifelturm.

2009 wurde er in den Bundestag gewählt, wo er seither fleißig in allerlei Ausschüssen und Gremien saß, neben dem erwähnten Verkehrsausschuss zum Beispiel im Ausschuss für Wahlprüfung, zudem ist er Vorsitzender der Deutsch-Belgisch-Luxemburgischen Parlamentariergruppe. Studiert hat er was? Genau, Jura.

Umweltminister

Foto: Uwe Koch/IMAGO/HMB-Media; Bearb.: SZ

Ist sich nicht ganz sicher, ob er seine Wählerinnen und Wähler duzen oder siezen soll. Auf seiner Homepage wirbt er für sich mit den Worten: "Für Erfurt. Für Weimar. Für Dich." Scrollt man ein wenig weiter, findet sich die Rubrik: "Lernen Sie mich kennen." Der 49 Jahre alte Schneider sitzt bereits seit 1998 im Bundestag, also seit der Wahl, bei der die SPD statt mit Rudolf Scharping mit Gerhard Schröder antrat und mehr als 40 Prozent der Stimmen erhielt.

Hat Bankkaufmann bei der Volksbank Erfurt gelernt, war unter anderem haushaltspolitischer Sprecher der Fraktion, später deren erster parlamentarischer Geschäftsführer und anschließend als Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland Staatsminister beim Bundeskanzler.

Die Interessen seiner Wählerschaft vertrete er, wie er mitteilt, mit der Hartnäckigkeit, die er als Radrennfahrer gelernt habe. Hat auf dem Sattel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einiges von jener Umwelt gesehen, um die er sich nun im Kabinett kümmern soll - dem Vernehmen nach bisweilen auch an der Seite von Klingbeil.

Familien- und Bildungsministerin

Neben Johann Wadephul die zweite CDU-Politikerin aus Schleswig-Holstein im Kabinett. Damit nimmt das "Land der Horizonte" (Eigenwerbung) eine größere Rolle als gewohnt in der Bundespolitik ein. Ungewöhnlich ist diese Häufung, weil die Ministerposten zwar offiziell nach Befähigung vergeben werden, aber eben auch nach einem strengen Proporz: Männer, Frauen, Landesverbände.

Prien wurde 1965 in Amsterdam geboren, wohin ihre jüdischen Großeltern mütterlicherseits in den Dreißigerjahren vor den Nazis geflohen waren. Sie wuchs zunächst in den Niederlanden auf, später zogen die Eltern mit ihr nach Deutschland um. Prien trat bereits 1981 in die CDU ein, in einem Alter also, in dem Parteipolitik für die meisten von der Pubertät umtosten Menschen nicht die allerhöchste Priorität genießt.

Lediglich 36 Jahre später wurde sie Bildungsministerin von Schleswig-Holstein und machte als solche unter anderem von sich reden, indem sie sich gegen das Gendern aussprach, was die Koalitionspartner von den Grünen entsprechend empörte. Prien ist Juristin und hat lange als selbständige Anwältin gearbeitet. Seit 2021 gehört sie dem Bundesvorstand der CDU an. Sie ist außerdem Vorsitzende des Jüdischen Forums der CDU.

Wohn- und Bauministerin

Teilt sich die erste Silbe ihres Nachnamens mit ihrer Kabinettskollegin, ihr Lebenslauf jedoch sieht völlig anders aus. Hubertz betrieb ab 2014 mit einer Kommilitonin das Start-up "Kitchen Stories", in dem es, kurz gesagt, um eine App geht, die zeigt, wie man einfach und mit Freude kocht. Da erscheint es im Rückblick fast zwangsläufig, dass 2017 mal der Chef von Apple in der Start-up-Küche vorbeischaute, ein Mann namens Tim Cook.

Zuvor hatte Hubertz während des Studiums der Betriebswirtschaft bei den Lebenshilfe-Werken in Trier ein Praktikum gemacht und dort geholfen, den im Guinness-Buch der Rekorde eingetragenen Weltrekord im größten gemeinsamen Trommelwirbel zu organisieren. Da war zwar nicht Tim Cook vorbeigekommen, aber dafür der Sänger Guildo Horn, um trommelnd auf das Leistungsvermögen von Menschen mit Behinderung aufmerksam zu machen.

Die heute 37 Jahre alte Hubertz zog 2021 erstmals in den Bundestag ein. Sie saß in den Ausschüssen für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sowie Tourismus und Wirtschaft. Hat eine schnelle Karriere gemacht, steht beispielhaft für eine jüngere SPD, und - sehr wichtig - nachdem Saskia Esken kein Ministerium bekommt: eine weiblichere SPD.

Forschungs- und Raumfahrtsministerin

Mit einer kurzen Unterbrechung gehört sie dem Deutschen Bundestag seit 2002 an, also seit fast 23 Jahren, was umso bemerkenswerter ist, da sie erst 47 Jahre alt ist. Dorothee Bär verfügt also in vergleichsweise jungen Jahren über immense parlamentarische Erfahrung. Sie hat sich immer geduldig durch die Gremien gearbeitet, war zuletzt in der Union zuständig für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kultur und Medien. Da liegt das Raumfahrtministerium nahe.

In ihrem Wahlkreis Bad Kissingen war es der AfD gelungen, ihren Direktkandidaten nicht rechtzeitig anzumelden, woraufhin Bär gelassen 50,5 Prozent der Stimmen einfuhr. Für Fußballmenschen interessant: Sie ist Mitglied im Verwaltungsbeirat des FC Bayern München, also der CSU der Fußball-Bundesliga.

Gesundheitsministerin

Noch eine Juristin, aber eine, die meist in Baden-Württemberg aktiv war. Die 45 Jahre alte Warken ist mit einer kurzen Unterbrechung seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags. Ihre Ernennung als Ministerin kam überraschend, aber so ist es eben bei diesen Ernennungen: Irgendeine muss immer überraschend sein. Warken war Mitglied in mehreren Ausschüssen, sie weiß, wie das Klein-Klein des parlamentarischen Alltags funktioniert. Apropos Klein-Klein: Sie ist gegen das Absenken des Wahlalters auf 16 Jahre.

Landwirtschaftsminister

In der Berliner Blase hieß es bis zuletzt, dass die bayerische Landwirtschaftministerin Michaela Kaniber das Amt auf Bundesebene übernehme. In Bayern lächelte man nur über dieses Gerücht, denn dort war längst klar, dass Alois Rainer den Posten erhält. Das ist einerseits ein Verlust, denn das Online-Portal Der Westen weiß über Kaniber dies zu berichten: "Ob auf dem Traktor oder im Dirndl beim Fototermin - sie bleibt echt." Es ist aber andererseits ein Gewinn, denn Rainer ist das einzige Mitglied des Kabinetts, das einen Meisterbrief vorweisen kann.

Rainer ist Metzger, und dass er tatsächlich ein Meister seines Fachs ist, stellte er vor mehr als 20 Jahren unter Beweis, als er mit einem Kollegen eine Weißwurst formte, die 825 Meter lang war. In Worten: achthundertfünfundzwanzig Meter. Das war damals die längste der Welt. Sehr nebenbei bemerkt: Vor gut zehn Jahren haben 60 Lütticher Metzger ihm den Rekord entrissen, indem sie eine Weißwurst von einem Kilometer Länge herstellten.

Seit 2013 sitzt Rainer im Bundestag. Als er dort einzog, traf er seine Schwester: Gerda Hasselfeldt gehörte dem Parlament von 1987 bis 2017 an und war unter anderem Gesundheits- und Bauministerin. Ohnehin liegt die Politik in der Familie: Der Vater der beiden, der wie der Sohn Alois Rainer hieß, war Bürgermeister der Gemeinde Haibach und von 1965 bis 1983 Abgeordneter im Bundestag.

Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Ist in der undankbaren Position, dass die Menschen erst einmal nicht über sie sprechen, sondern darüber, wer ihren Job nicht bekommen hat, nämlich Co-Parteichefin Saskia Esken. Hobby-Kickboxer Klingbeil hat jedoch Hobby-Boxerin Alabali-Radovan für einen Kabinettsposten ausgesucht. Dass fliegende Fäuste oder Tritte bei der Entscheidung eine Rolle gespielt haben, wird in Parteikreisen vehement abgestritten. Eher soll sich ihre Entdeckerin und Förderin, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, vehement für sie eingesetzt haben, was sie für Esken dezidiert nicht tat.

Die 35-jährige Alabali-Radovan (auch hier: Generationenwechsel!) hat bei den Sozialdemokraten eine Blitzkarriere hingelegt. Sie trat erst Anfang 2021 in die Partei ein, noch im Dezember machte Olaf Scholz sie zur Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration. 2022 übernahm sie dazu noch das neu geschaffene Amt der Bundesbeauftragten für Antirassismus. Ziemlich viele Posten für ziemlich wenig Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit. Zumindest Letzteres dürfte sich nun ändern - unter der genauen Beobachtung ihrer Parteichefin.

Staatsminister für Kultur und Medien

Lange wurde spekuliert, wer Claudia Roth (Grüne) als Staatsministerin für Kultur ablösen würde. Die Entscheidung ist eine große Überraschung: Friedrich Merz hat sich für den konservativen Publizisten und Verleger Wolfram Weimer entschieden. Weimer, 60 Jahre alt, ist Verleger der Weimer Media Group, die Titel wie Business Punk,The European oder Wirtschaftskurier veröffentlicht. Er war Chefredakteur der Welt und später der Gründer und Chefredakteur des Magazins Cicero.

Damit übernimmt das Amt ein Mann, der kein Insider des Berliner Politikbetriebs ist. Das allerdings hat Weimer mit mehreren seiner Vorgängerinnen und Vorgänger gemeinsam - zu ihnen gehören der Verleger Michael Naumann, der Philosoph Julian Nida-Rümelin und die Journalistin Christina Weiss. Die Entscheidung hat sehr viel Kritik bei Kulturschaffenden ausgelöst.

Kanzleramtsminister

Frei gehört zu den Politikern im Kabinett, die über echte Regierungserfahrung verfügen, wenn auch nicht auf Bundes- oder Landesebene. Von 2004 bis 2013 war er Oberbürgermeister von Donaueschingen. Als er 2012 wiedergewählt wurde, gab es "Frei-Bier". Das ist in der Welt der politischen Wortspiele eines der besseren. Seit Ende 2021 ist der heute 51-Jährige Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag und war damit immer an der Seite von Friedrich Merz. Dass ihm das nicht zum Nachteil gereichte, zeigt seine Berufung in das Ministeramt, das am nächsten am Kanzler ist.

Mehr als alle anderen Ministerinnen und Minister ist der Kanzleramtsminister Diener und Leiter zugleich. Das Prinzip des gleichzeitigen Dienens und Führens ist ein nahezu klassisches, Frei erlernte es unter anderem während seines Grundwehrdienstes bei der Deutsch-Französischen Brigade.