Westfalen-Blatt, Bad Driburg und Brakel vom 06.05.2025 (Tageszeitung / täglich außer Sonntag, Brakel)
Rubrik im PS: | Prof. Dr. Nida-Rümelin |
Autor: | Harald Iding |
Auflage: | 6.449 |
Reichweite: | 15.026 |
Ressort: | rhx |
Seitentitel: | rhx |
"Nachdenken über Deutschland" aus Sicht eines Philosophen
Julian Nida-Rümelin aus München brilliert mit seiner freien Rede in Corvey
Höxter(WB). Es waren schon einige prominente Redner vor ihm in Corvey, um zum Thema "Nachdenken über Deutschland" eine Mairede zu halten – aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Aber Professor Julian Nida-Rümelin gelang es, die Welt neu in den Blick zu nehmen.
Zumindest ist der ehemalige Kulturreferent der Landeshauptstadt München und spätere Kulturstaatsminister im ersten Kabinett von Schröder auf spannende Zusammenhänge rund um Themen wie Nation, Republik, Freiheit und Demokratie eingegangen.
Im Kaisersaal von Corvey hielt der bedeutende Philosoph aus München, Professor Julian Nida-Rümelin, eine vielbeachtete Hoffmann-von-Fallersleben-Rede am ersten Sonntag im Mai.
In seiner freien Rede wollte Julian Nida-Rümelin im Corveyer Kaisersaal auf jeden Fall als leidenschaftlicher Philosoph wichtige Ereignisse wie den Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) als auch die aktuellen Ereignisse in der Ukraine näher beleuchten und einstufen.
Sein bisheriges Lebenswerk beeindruckt: Julian Nida-Rümelin studierte nicht nur Philosophie, sondern auch Physik, Mathematik und Politikwissenschaft in München und Tübingen. Nach der Promotion und Habilitation in Philosophie und einer Gastprofessur in den USA übernahm er 1991 einen Stiftungslehrstuhl für Ethik in Biowissenschaften an der Universität Tübingen.
Bestgelaunt zeigten sich die Verantwortlichen bei der traditionellen Mai-Veranstaltung in Corvey, die hervorragend besucht war (von rechts): Viktor Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey (Hausherr), Gastredner Professor Dr. Dr. h.c. Julian Nida-Rümelin, Ina Kreimer (Vorstandsmitglied der Verbund-Volksbank OWL), Bürgermeister Daniel Hartmann und Organistor Dr. Michael Stoltz (Sprecher des Arbeitskreises im HVV).
Ab 1993 gab er sein Wissen (Lehrstuhl für Philosophie) an junge Studenten in Göttingen weiter. Für fünf Jahre (ab 1998) wechselte er zwischenzeitlich in die deutsche Kulturpolitik. Schließlich lehrte bis zu seiner Emeritierung 2020 Philosophie und politische Theorie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
Höxters Bürgermeister Daniel Hartmann lobte den prominenten Redner, der immer wieder auch in TV-Sendungen ein gefragter Gesprächspartner ist, für dessen geistreichen Vortrag. Das Format in der 21. Auflage lebe von dem Anspruch, "unser Land und unsere Gesellschaft kritisch, klug und zukunftsgewandt zu betrachten", so Hartmann.
Diesen Anspruch habe Professor Julian Nida-Rümelin in herausragender Weise Rechnung getragen. Der erste Vertreter der Stadt Höxter betonte: "Ihre Gedanken zur Verantwortung in der Demokratie, zum Verhältnis von individueller Freiheit und gesellschaftlicher Vernunft, aber auch Ihre Einordnung aktueller Debatten in ein philosophisches Fundament – das alles war zutiefst ermutigend!"
Plädoyer für Mäßigung und Humanität
Die 21. Hoffmann-von-Fallersleben-Rede sei ein starkes Plädoyer für Mäßigung und Humanität, für Aufklärung statt Empörung, für Verantwortungsethik statt Selbstgerechtigkeit. Dieser Denkansatz stehe ganz im Sinne Hoffmanns. Hartmann: "Auch August Heinrich Hoffmann von Fallersleben war nicht nur Dichter und Autor, sondern ein politisch denkender Mensch, der sich mit Leidenschaft und Mut für Freiheit, Bildung und eine bessere Gesellschaft einsetzte."
Der 70-jährige Julian Nida-Rümelin habe das Publikum im festlichen Kaisersaal von Corvey mitgenommen auf eine gedankliche Weltreise – bis hin zu einem Deutschland, das seiner Verantwortung in Europa und der Welt gerecht werde, "ohne sich selbst zu verlieren".
Der Dichter des Deutschlandliedes und vieler Kinderlieder, August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, wirkte von 1860 bis zu seinem Tod 1874 als Bibliothekar des Herzogs in Corvey.
Im Gedenken an seinen Amtsantritt am 1. Mai 1860 laden jedes Jahr der Heimat- und Verkehrsverein Höxter, die Stadt, der Kreis und das Herzogliche Haus prominente Persönlichkeiten zur Mairede ein.
Zu den letzten 20 Rednerinnen und Redner gehörten beispielsweise der ehemalige Bundespräsident Professor Dr. Roman Herzog, die frühere Präsidentin des Deutschen Bundestages, Professor Dr. Rita Süssmuth, als auch der Liedermacher Wolf Biermann und der katholische Theologe Professor Dr. Hubert Wolf.
Der Mediziner Dr. Michael Stoltz aus Höxter-Fürstenau, Sprecher des Hoffmann-von-Fallersleben-Arbeitskreises im HVV, freute sich daher, mit Julian Nida-Rümelin nun auch einen bedeutenden Philosophen für diese Veranstaltung (wie schon in 2024 zukünftig immer am ersten Sonntag im Mai und nicht wie bislang am 1. Mai) gewonnen zu haben. Julian Nida-Rümelin sei ein "Denker von Weltformat", hieß es am 4. Mai.
Hauptunterstützer der wichtigen Kulturveranstaltung in der Region ist in diesem Jahr erneut die Verbund-Volksbank OWL gewesen, die auch das Preisgeld in Höhe von 3000 Euro zur Verfügung stellte. Julian Nida-Rümelin gehört dem Vorstand der "Parmenides-Stiftung", die die Spende erhalten soll. Die Stiftung setzt sich für einen "digitalen Humanismus entgegen der Mainstream-Ideologie im Silicon Valley" ein.