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WirtschaftsWoche Online am 09.02.2025 (Internet-Publikation, Düsseldorf)

Rubrik im PS:Internet
Autor:Sonja Álvarez
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Ressort:Politik / Ausland /

Handelsstreit mit Donald Trump

"Für Trump wäre es das Beste, wenn die EU in ihre Einzelteile zerfällt"

Wird Donald Trump Europa vor sich hertreiben wie Mexiko und Kanada? US-Expertin Cathryn Clüver Ashbrook über eine neue Nervosität, schlaue Deals und fatale Signale.

Erstveröffentlichung: 2025-02-09 07:50:01 letzte Aktualisierung: 2025-02-09 07:50:02

WirtschaftsWoche: Frau Clüver Ashbrook, Sie haben die ersten Wochen von Donald Trumps neuer Präsidentschaft in Boston, Washington und New York erlebt. Wie war die Stimmung: voller Aufbruchslust – oder voller Sorge?

Cathryn Clüver Ashbrook: Die Wirtschaft erlebt derzeit ein Schleudertrauma – das haben allein die vergangenen Tage gezeigt: Erst hat Trump Zölle gegen Mexiko, Kanada und China verhängt, dann wurden sie teils wieder verschoben, bereits existente Angebote Kanadas und Mexikos als Verhandlungserfolg verkauft. Was aber kommt nach der Vier-Wochen-Frist?

Das ist ungewiss. Unternehmen fehlt damit jegliche Planungssicherheit. Die Aufbruchstimmung in den ersten Tagen rund um Trumps Amtsübernahme ist deshalb inzwischen großer Sorge gewichen, das sieht man sowohl in den Bewegungen im Aktienmarkt als auch in Gesprächen mit führenden Industrieunternehmen.

Mit welcher Folge?

Statt sich mit ihrem eigentlichen Geschäft zu beschäftigen, müssen Unternehmen jetzt immer neue Szenarien durchspielen, um möglichst gut mit diesen Unsicherheiten klarkommen zu können. Dazu erleben wir in diesen Tagen eine faktische Entkernung des bürokratischen Apparats durch Tech-Milliardär Elon Musk und sein sogenanntes Doge-Team. Manche Beobachter reden angesichts des radikalen Vorgehens gegen Behörden wie USAID sogar schon von einem internen Staatsstreich.

Auch außenpolitisch versetzt Trump die Welt in dieses Schleudertrauma: Der US-Präsident hat diese Woche vorgeschlagen, den Gaza-Streifen zu einem Real-Estate-Paradies zu machen – und zwar ohne die Palästinenser. Noch vor der Amtsübernahme hatte er angekündigt, Grönland und den Panamakanal übernehmen zu wollen. Wie ernst müssen seine Ideen genommen werden?

Sehr ernst. Und das gilt gerade für Europa. Der amerikanische Außenminister Marco Rubio macht seinen Antrittsbesuch nicht in Europa bei den stärksten Verbündeten auf der anderen Seite des Atlantiks, sondern er reist nach Panama und Mittelamerika und bringt dorthin Drohgebärden mit statt Botschaften der Vereinigung. Wie ist diese neue Reisereihenfolge zu werten?

Sie kündigt an, dass die USA sich noch stärker als regionale Hegemonie-Macht aufstellen wollen. Interessant ist auch der Schulterschluss mit dem israelischen Premierminister, der zwar die radikalen Elemente seiner Koalition zusammenhalten muss – aber ganz genau weiß, welche Probleme ein solcher Trump-Vorschlag wie zum Gaza-Streifen bringt – eine Verletzung des internationalen Rechts mit Ankündigung. Er bringt Probleme nicht nur mit den regionalen Partnern, sondern auch mit den Partnern der sogenannten Abraham Accords, die wahrscheinlich der größte außenpolitische Erfolg aus Trumps erster Amtszeit gewesen sind. Das Abkommen von 2020 soll den Frieden und die Zusammenarbeit zwischen Israel und den arabischen Golfstaaten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain fördern.

Trump scheint aber nicht klar zu sein, welche Wirkung seine Idee zum Gaza-Streifen entfalten kann. Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien haben bereits erklärt, dass sie nicht als Auffangbecken für die Palästinenser dienen wollen, die vorher aus ihren Gebieten vertrieben werden müssten und die ja wiederum in Trumps Pläne überhaupt nicht involviert gewesen sind. Der Vorstoß kommt übrigens ursprünglich gar nicht von Trump selbst, sondern von seinem Schwiegersohn Jared Kushner, der schon im Februar 2024 in einem Gespräch an der Universität Harvard die Idee vom Gaza-Streifen als Immobilienparadies am Meer erläutert hat. Welche Signale sendet Trump denn an Präsidenten wie Chinas Xi Jinping und Russlands Wladimir Putin, die sich ja mit ihren imperialistischen Ideen mit Blick auf Taiwan und die Ukraine nur bestätigt sehen dürften?

Trump hebelt die Bestimmung des internationalen Rechts aus – und er spielt damit seinen vermeintlichen Erzfeinden in die Hände. Denn China und Russland treiben ihre geoökonomischen und sicherheitspolitischen Ambitionen schon seit Langem in der Arktis voran. Das wird jetzt nur noch weiter angefacht durch Trumps Idee, sich Grönland einzuverleiben. Dazu will China nicht nur Taiwan erobern, sondern nun ergibt sich durch den Rückzug der Amerikaner aus der Entwicklungspolitik eine neue Entfaltungsmöglichkeit für die Erweiterung der chinesischen Seidenstraße, die für Länder in Afrika und Lateinamerika neue Abhängigkeiten bringen würde. Und Russland?

Auch Russland wird sich wohl nur darin bestätigt fühlen, sich nicht mit der Ukraine zu begnügen, sondern den eigenen Einfluss regional zu erweitern und den Schulterschluss mit China zu festigen. Nicht nur die internationale Ordnung, sondern auch die Wirtschaftsordnung wird von Trump so nachhaltig geschwächt. Mit welcher Konsequenz?

Es entsteht eine große Volatilität im internationalen System, in dem Regeln und Rechtsordnung ausgesetzt oder in Frage gestellt werden. Daraus entsteht für Unternehmen eine Planungsunsicherheit, die gerade in Zeiten existenter wirtschaftlicher Transformationsabsichten – Energiepolitik, Industriepolitik, Innovationsanschub – für erhebliche Nervosität sorgt. Auch europäische Regierungen, die Wachstumschancen und Wettbewerb neu denken und umsetzen wollen, brauchen dafür Klarheit, ruhigere Kapitalmärkte und realisierbare Planungshorizonte. Denn der Rückhalt international funktionierender Rechtsräume ist die Voraussetzung dafür, dass solche Transformationsprozesse gelingen können. Schon vor seinem Amtsantritt hat Donald Trump gesagt, dass er ein Lieblingswort im Wörterbuch hat: Zölle. Für Kanada und Mexiko werden sie vorerst pausiert, aber Trump hat schon angedeutet, dass er sich die EU als Nächstes vorknöpfen könnte. Was heißt das für den exportorientierten Mittelstand in Deutschland?

Für solche Unternehmen wird es jetzt besonders anstrengend. Denn sie müssen sich darauf einstellen, dass die EU in ihrer Handelspolitik nicht nur eine verstärkte Linie gegenüber China finden muss, sondern auch gegenüber den USA. Die Unternehmen müssen deshalb nach Ausweichmöglichkeiten und neuen Produktionswegen suchen. Was die Unternehmen in diesen Krisenzeiten noch mehr unter Druck setzt?

Produktions- und Transportwege umzudenken, Zollkosten strukturell einzuplanen – das sind mühsame und kostspielige Prozesse, die für entsprechende Turbulenzen in der gesamten Wertschöpfungskette sorgen. Wir haben diese Woche bereits gesehen, wie empfindlich die Börsen allein auf die Zollandrohung reagiert haben. Im Umgang mit dem Dealmaker Trump wird immer wieder das Beispiel von 2018 bemüht. Damals sorgte Europas Androhung von Gegenzöllen dafür, dass es auf beiden Seiten keine Zölle gab. Sollte es dieses Mal mit Angeboten versucht werden, wie einem höheren Zukauf von LNG oder Rüstungsgütern aus den USA – oder sollte wieder auf ein "Gleichgewicht des Schreckens"?

Donald Trump und seine Unterstützer aus der Tech-Szene von Elon Musk bis Sam Altman sehen in der künstlichen Intelligenz und einer zunehmenden Deregulierung im Wettlauf mit China das Allheilmittel. Die EU sollte deshalb jetzt behände ihre KI-Regulierung und den Digital Services und den Digital Markets Act durchsetzen.

Warum gerade das?

Allein als Zeichen dafür, dass die Europäische Union ein rechtsstaatliches Gefüge bleibt und Regulierungen auch durchsetzen kann. Ähnlich gehen übrigens auch Länder wie Indonesien und China vor, die kartellrechtliche Verfahren gegen Google, Apple und andere große Technologiekonzerne angehen, weil sie wissen, dass sie die USA und Trumps Unterstützer damit treffen können. Es geht jetzt um schlaue Sequenzierung. Das klingt eher nach Gleichgewicht des Schreckens?

Die Europäische Union sollte jedenfalls nicht sofort in den Gehorsam treten und direkt etwas anbieten – denn das dürfte Trump nur ermuntern, immer mehr zu fordern und Europa im Monatstakt vor sich herzutreiben. Trump hat nicht verheimlicht, dass er die EU spalten will. Das Erste, was die EU-Länder deshalb machen müssen, ist, sich abzusprechen, und in Verhandlungen mit einer Stimme – der der Kommissionspräsidentin oder des Ratspräsidenten – aufzutreten. Zugleich kann sich die EU etwas bei Mexiko und Kanada abschauen: Nur so viel anbieten, wie zur Stabilisierung der Lage nötig ist, im besten Fall aus bereits existierenden Plänen. Und zwar?

Mexiko hat Trump eine Verstärkung ihrer Truppenkontingente an den Grenzen zu den USA angekündigt – ohnehin geplant – aber der Präsident durfte über einen vermeintlichen Sieg triumphieren. Da wird die Kunst des Verhandelns von Kommissionschefin Ursula von der Leyen gefragt sein. Je dichter die USA ihren Markt gegen Importe aus China machen, desto mehr dürfte China nach Europa ausweichen, zumal die Volksrepublik schon heute aufgrund der heimischen Konsumschwäche erhebliche Überkapazitäten hat. Sollte die EU darauf wiederum selbst mit Protektionismus antworten? So, wie es bereits Ausgleichszölle auf E-Autos aus China gibt?

Wir brauchen jetzt eine kluge Risikoanalyse. Denn beide Volkswirtschaften, China wie die USA, sind mit der EU eng verzahnt, sie sind die beiden wichtigsten Handelspartner der EU. Bei jeder Gegenmaßnahme muss deshalb sehr klug überlegt werden, welche Folgen sie haben könnte. Der nächsten Bundesregierung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, schließlich vertritt sie die größte Volkswirtschaft in der EU und die drittgrößte in der Welt. Handelspolitik wird in Brüssel gesteuert, muss aber in Maßnahme und mögliche Gegenmaßnahme gegen die USA und China so sequenziert und strukturiert sein, dass der stagnierenden Volkswirtschaft Deutschland ein nachhaltiger Umbau gelingen kann. In knapp zwei Wochen findet die Bundestagswahl statt. Welche Empfehlung haben Sie für den künftigen Bundeskanzler, wenn es um Trump und die transatlantischen Beziehungen geht?

Die neue Bundesregierung muss deutlich geschlossener auftreten als die Ampel-Koalition. Dazu muss sie sich aber auch auf die Verhandlungskapazitäten Europas verlassen. Denn das Schlechteste für die EU wäre das Beste für Trump: dass die EU in ihre Einzelteile zerfällt.

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Abbildung: US-Expertin Cathryn Clüver Ashbrook spricht beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer. Foto: Foto Vogt GmbH


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