Gesamtwirtschaftliche Entwicklung

Handelsblatt vom 02.06.2025, S. 12 (Tageszeitung / täglich außer Samstag und Sonntag, Düsseldorf)

        
Rubrik im PS:Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
Autor:Axel Schrinner Düsseldorf
Auflage:133.226
Reichweite:505.864
Quellrubrik:Politik

HDE-Konsumbarometer

Verbraucher haben Lust auf Aufschwung

Die Stimmung der Konsumenten hat sich deutlich verbessert. Sorgen vor Jobverlust werden meist verdrängt. Bleibt die Frage: wie lange noch?

Deutschlands Verbraucher blicken mit wachsender Zuversicht auf den bevorstehenden Sommer. Das signalisiert das HDE-Konsumbarometer, das für Juni auf 97,35 Punkte stieg – nach 96,10 Punkten im Vormonat. Dies war bereits der fünfte Anstieg in Folge; der Index notiert nun auf dem höchsten Stand seit vergangenem August. Das HDE-Konsumbarometer basiert auf einer repräsentativen Befragung von rund 1600 Haushalten. Es wird monatlich vom Handelsblatt Research Institute für den Handelsverband HDE berechnet.

Die jüngste Stimmungsaufhellung vollzog sich auf breiter Front. Die Sorgen der Verbraucher vor der Teuerung gingen zurück, ihre Anschaffungsneigung stieg, und die Konjunkturerwartungen gingen nach oben. Die Erwartungen, wie sich das eigene Einkommen entwickelt, waren sogar so hoch wie seit 63 Monaten nicht mehr – und notierten damit erstmals wieder auf dem Niveau von vor der Corona-Pandemie.

Die gute Stimmung der Verbraucher strahlt auch auf den Einzelhandel aus. Das Ifo-Geschäftsklima für den Handel stieg spürbar. Sowohl ihre aktuelle Lage als auch ihre Erwartungen bewerteten die Einzelhändler deutlich besser als im Vormonat – wenn auch weiterhin auf niedrigem Niveau. So stieg der saisonbereinigte Index von –25,8 auf –18,6 Punkte. Die negativen Werte signalisieren, dass die Zahl der Pessimisten nach wie vor größer als die der Optimisten ist.

Laut Ifo bewerteten Lebensmittelhändler und Autohäuser ihre aktuelle Geschäftslage besser als der Einzelhandel insgesamt. Die Verkäufer von Bekleidung, Möbeln und Fahrrädern schätzen ihre Geschäftslage dagegen schlechter als der Branchenschnitt ein. Getragen wird der Optimismus offenbar von der Tatsache, dass Deutschland nach einem halben Jahr politischen Stillstands wieder eine handlungsfähige Bundesregierung hat. Diese bemüht sich, Optimismus zu verbreiten. Gleichzeitig deuteten etwas bessere Konjunkturdaten in den vergangenen Wochen darauf hin, dass die Konjunktur womöglich ihren Tiefpunkt überwunden hat.

So revidierte das Statistische Bundesamt seine Schnellschätzung für die Wirtschaftsentwicklung im ersten Quartal von 0,2 Prozent auf nunmehr 0,4 Prozent Wachstum nach oben. Das Ifo-Geschäftsklima stieg bereits fünf Monate in Folge – wenn auch nur in Trippelschritten. Und das Konjunkturbarometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung verzeichnete im Mai einen Sprung; das DIW sprach von einem "Lebenszeichen der deutschen Wirtschaft".

Harte Daten für den wachsenden Optimismus sind freilich rar. So war die Wirtschaft auch in den vergangenen Jahren stets im ersten Quartal gewachsen – und erlebte dann in der Folgezeit spürbare Rückschläge. Und die etwas besseren Daten aus der Industrie dürften maßgeblich von Vorzieheffekten infolge der im April verkündeten hohen US-Zölle geprägt worden sein.

Der von der Bundesbank berechnete "wöchentliche Aktivitätsindex (WAI)" liegt für die 21. Kalenderwoche vom 19. Mai – 25. Mai bei –0,3. Der Rückgang beschleunigte sich gegenüber der Vorwoche deutlich. Der Index impliziert für die letzten dreizehn Wochen bis zum 25. Mai gegenüber den vorangegangenen dreizehn Wochen einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent.

Zum vielleicht größten Problem hat sich mittlerweile der Arbeitsmarkt entwickelt. Die jahrelange Stagnation, die Rekordzahlen bei Firmenpleiten sowie umfassende Sparprogramme vor allem in der Industrie führten dazu, dass mittlerweile fast 750.000 mehr Personen arbeitslos gemeldet sind als während der Tiefststände im Frühjahr 2019. Allein im Mai stieg die saisonbereinigte Arbeitslosenzahl um 34.000 Personen an; binnen eines Jahres erhöhte sie sich um 100.000 Personen. "Der Arbeitsmarkt bekommt nicht den Rückenwind, den er für eine Trendwende bräuchte", sagte die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles. "Daher rechnen wir für den Sommer auch mit weiter tendenziell steigenden Arbeitslosenzahlen."

Die Sorge vor wachsender Arbeitslosigkeit gilt als Gift für den privaten Konsum. Zum einen schieben von Arbeitslosigkeit bedrohte Verbraucher größere Anschaffungen oftmals zunächst auf und stocken stattdessen ihre Rücklagen auf. Zum anderen wird es für die Gewerkschaften schwieriger, spürbare Lohnerhöhungen durchzusetzen.

Bis der Verlust an realer Kaufkraft ausgeglichen ist, den die hohe Inflation in den Jahren 2022 und 2023 verursacht hat, dürften noch viele Jahre ins Land gehen – 2024 lagen die Reallöhne auf dem Niveau des Jahres 2017. Nicht zu Unrecht haben also viele Konsumenten das Gefühl, sich heute weniger leisten zu können als früher. Die Wahrheit ist: Den Beschäftigten fehlen nach wie vor sieben Jahre der einst gewohnten Wohlstandsgewinne.

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