Rubrik im PS: | Hans-Böckler-Stiftung |
Autor: | dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH |
Auflage: | 27.903 |
Reichweite: | 65.014 |
Ressort: | Chemnitzer Zeitung / Wirtschaft |
Wochenarbeitszeit: Studie nennt Risiken
Die Gewerkschaften trommeln seit Wochen gegen die von Schwarz-Rot geplante Abkehr von der bisher gültigen täglichen Höchstarbeitszeit.
Verena Schmitt-Roschmann
Die geplante Umstellung auf eine Wochenarbeitszeit könnte nach Darstellung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zu überlangen Arbeitstagen von bis zu 12 Stunden und 15 Minuten führen. Die Folgen wären Gesundheitsrisiken, mehr Krankheitstage und mehr Druck auf Familien, warnt eine Analyse des Hugo-Sinzheimer-Instituts für Arbeitsrecht (HSI) der Stiftung. Die Neuerung könnte sogar kontraproduktiv wirken.
Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung die Möglichkeit "einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit schaffen". Dabei sollen die geltenden Ruhezeitregelungen beibehalten werden. Somit müssen zwischen zwei Schichten mindestens elf Stunden liegen. Zudem seien während der Arbeitszeit bis zu 45 Minuten Pause einzuplanen, rechnen die HSI-Experten vor. Daraus ergibt sich die Option eines Arbeitstags von mehr als zwölf Stunden.
Die Gewerkschaften laufen seit Wochen Sturm gegen den Abschied vom seit 1918 üblichen Acht-Stunden-Tag – während Arbeitgeberverbände dies für einen flexibleren Arbeitsmarkt seit Langem fordern. DGB-Chefin Yasmin Fahimi erneuerte in der "Rheinischen Post" ihre Kritik: "Es geht wohl eher darum, rechtlich fragwürdige Geschäftsmodelle zu legalisieren, wie regelmäßige Zwölf-Stunden-Schichten bei Subunternehmern im Paketdienst oder die fehlenden Ruhezeiten im Hotel- und Gastgewerbe."
Die HSI-Analyse trägt nun die Argumente gegen die Koalitionspläne zusammen. "Arbeitsmedizinisch ist längst erwiesen, dass Arbeitszeiten von mehr als acht Stunden die Gesundheit gefährden", heißt es in dem Papier. Langfristig komme es häufiger zu stressbedingten und psychischen Leiden, die wiederum Grund für Fehlzeiten und vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsleben seien. Auch das Unfallrisiko steige ab der achten Arbeitsstunde – sowohl am Arbeitsplatz als auch bei der anschließenden Fahrt nach Hause. Im Koalitionsvertrag ist allerdings festgehalten, dass "die hohen Standards im Arbeitsschutz" beibehalten würden. Und: "Kein Beschäftigter darf gegen seinen Willen zu höherer Arbeitszeit gezwungen werden."
Die HSI-Fachleute führen zudem an, das geltende Recht sei bereits flexibel und erlaube – unter bestimmten Bedingungen – Arbeitstage von bis zu zehn Stunden. Im Übrigen habe das Arbeitszeitvolumen von abhängig Beschäftigten in Deutschland 2023 mit 54,59 Milliarden Stunden deutlich über dem Niveau von 52,2 Milliarden Stunden im Jahr 1991 gelegen. Das HSI räumt aber unter Berufung auf Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ein, dass die durchschnittlich geleistete Arbeitszeit der Beschäftigten 1991 noch bei rund 1478 Stunden lag und im Jahr 2023 bei 1295. Der Grund: Knapp ein Drittel der Beschäftigten arbeitete 2023 in Teilzeit. Daran würde eine Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes nichts ändern, hieß es. (dpa)