Westdeutsche Allgemeine WAZ, Essen vom 18.03.2025, S. 1 (Tageszeitung / täglich außer Sonntag, Essen)
Rubrik im PS: | Naturwissenschaften / Medizin |
Autor: | Tobias Blasius |
Auflage: | 21.434 |
Reichweite: | 49.941 |
Ressort: | Titel |
Kiffen am Steuer: Reul kritisiert Tests
Cannabis-Grenzwerte nur aufwendig zu überprüfen. Minister stellt Verkehrsunfallbilanz 2024 vor
Von Tobias Blasius
Düsseldorf Knapp ein Jahr nach der Cannabis-Legalisierung in Deutschland hat NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) Nachbesserungen bei Drogentests im Straßenverkehr gefordert. "Grenzwert null wäre eigentlich der richtige", sagte Reul am Montag bei der Vorstellung der Verkehrsunfallbilanz 2024.
In Nordrhein-Westfalen verunglückten im vergangenen Jahr demnach 1066 Personen im Straßenverkehr, nachdem sie Drogen konsumiert hatten. Allerdings werden in dieser Statistik zahlreiche legale und illegale Substanzen erfasst. Das bedeutete ein neues Fünf-Jahres-Hoch, so die Bilanz. Bei fast 600 Unfallopfern wurde Cannabis im Blut festgestellt.
Zehn Menschen starben unter Drogeneinfluss im Straßenverkehr – das waren drei mehr als im Jahr zuvor. Insgesamt war die Zahl der Verkehrstoten auf 485 (+ 30) angestiegen. Nach der Cannabis-Legalisierung hatte der Bund im August einen Grenzwert für Marihuana am Steuer festgelegt. Autofahrer dürfen seither nicht mehr als 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blut aufweisen. Das soll eine vergleichbare Fahrtüchtigkeitsschwelle definieren wie die 0,5-Promille-Grenze für Alkohol.
Reul beklagte viel Unwissen im Umgang mit Marihuana und Autofahren: "Grenzwert hin oder her. Cannabis beeinträchtigt die Fahrtüchtigkeit." Wer kiffe und sich hinters Steuer setze, "riskiert sein Leben und auch das aller anderen. Punkt, Aus", kritisierte der Minister, der energischer Gegner der Drogenliberalisierung durch die abgewählte Ampel-Bundesregierung war.
In der praktischen Umsetzung bei der Verkehrsüberwachung muss nach Einschätzung des NRW-Innenministeriums nachgebessert werden. Bislang müsse die Polizei die Cannabis-Grenzwerte mittels Speichel- oder Urintests kontrollieren. "Das sind aber nur sogenannte Vortests. Sind diese positiv, muss für einen rechtssicheren Nachweis trotzdem noch eine Blutprobe durch einen Arzt erfolgen. Aber das ist natürlich sehr aufwendig und dauert", so Reul.
Nordrhein-Westfalen arbeitet zurzeit mit Forschern der Universität Duisburg-Essen an sogenannten "Drogen-Vortest-Geräten", um die Verfahren zu beschleunigen. "Ich habe das schon immer gesagt und ich bleibe dabei: Die Straße ist kein Ort, an dem man seinen Rausch auslebt", sagte Reul.
Allerdings räumte Friederike Evers aus dem verkehrspolizeilichen Referat seines Ministeriums ein, dass der Anstieg an berauschten Autofahrern weniger stark ausgefallen sei als befürchtet: "Wir hatten tatsächlich erwartet, dass die Verkehrsunfalllage noch mehr durch die Decke geht". Unklar sei, so Evers, ob das mit der erst im Jahresverlauf eingesetzten Legalisierung von Cannabis-Anbauvereinen zu tun habe oder Konsumenten "sich vernünftig verhalten und eben dann das Trennungsgebot beachten und sich nicht im Straßenverkehr bewegen". Rhein-Ruhr/Meinung