Rubrik im PS: | Wirtschaftswissenschaften |
Autor: | HANS WEITMAYR |
Auflage: | 21.500 |
Reichweite: | 129.000 |
Im Bann der EZB
THEORIE & PRAXIS | Geldpolitik und Immobilien Im Bann der EZB Mit diversen Maßnahmen hat die EZB auf die Krisen der vergangenen Jahre reagiert. Eine Studie erfasst die jeweiligen Effekte auf den deutschen Immobilienmarkt. Überraschend dabei: die relativ schwache Wirkung von Zinsschritten. Inflation im Rahmen von Covid und der Russlandinvasion der Fall war -, dann wäre es folgerichtig vorteilhaft, die unterschiedlichen Auswirkungen verschiedener Maßnahmen zu kennen. Genau dieser Thematik haben sich Martin Groiss von der Universität Duisburg-Essen und Nicolas Syrichas von der Freien Universität Berlin in ihrem Paper „Monetary Policy, Property Prices and Rents: Evidence from Local Housing Markets“ gewidmet. Besonders lohnenswert ist die Analyse der Arbeit, da der deutsche Immobilienmarkt unter die Lupe genommen wird, also noch zusätzliche praktische Relevanz geboten wird. mmobilien gehören nicht zuletzt als Diversifikator und somit als indirekte Absicherung der Performance gelisteter Assets in das Portfolio institutioneller Investoren. Ihr Ruf als glättende und relativ sichere Anlage hat in jüngster Vergangenheit aber gelitten. Der globale Krisenmix hat zeitweise zu Teuerung, Zinsanhebungen und somit zu einer Verschlechterung der Finanzierungsmöglichkeiten geführt. Das wiederum hat den Markt belastet. Wenn man nun davon ausgeht, dass die Geldpolitik als Näherungswert für Krisenszenarien dient - wie es ja mit dem Ausbruch der Ansatz und Daten » Die kurzfristige Wirkung geldpolitischer Maßnahmen ist begrenzt. Mittel- bis langfristig lösen sie eine bedeutende Dynamik an den Immobilienmärkten aus. « Die Analyse untersucht jedenfalls, wie sich Immobilienpreise und Mieten entwickeln und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Grundlage ist ein hedonisches Preismodell, eine Methode, die Preise nicht isoliert betrachtet, sondern sie aus den Eigenschaften eines Objekts ableitet. Am Immobilienmarkt bedeutet das: Nicht nur die Lage Martin Groiss, Universität Duisburg-Essen Empirische Zusammenhänge Wie Zinsen und EZB-Bilanz mit Miete und Hauspreis interagieren EZB-Bilanz (Bio. €) Leitzins Hedonischer Index Hedonischer Index 9 1,8 1,8 4 8 EZB-Bilanz Miete Miete Leitzins 3 1,6 1,6 7 Hauspreise Hauspreise 6 1,4 2 1,4 5 4 1,2 1 1,2 3 0 2 1,0 1,0 1 0,8 0,8 2022 2010 2012 2018 2020 2016 2020 2022 2014 2016 2012 2018 2008 2 Im empirischen Vergleich zeigt sich eine frappierende Korrelation zwischen Hauspreisen und der EZB-Bilanz. Letztere kann als Näherungswert für unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen wie beispielsweise die quantitativen Lockerungen seitens der Notenbank verstanden werden. Einen deutlich schwächeren Zusammenhang gibt es zwischen Hauspreisen und Zinspolitik. Quelle: Monetary Policy, Property Prices and Rents: Evidence form Local Housing Markets money Nº1/2025 | institutional-money.com 146 FOTO: @ UNIVERSITÄT DUISBURG-ESSEN FOTO: @ PAUL | STOCK.ADOBE.COM | GENERIERT MIT KI Geldpolitik und Immobilien | THEORIE & PRAXIS Mit dem Ausbruch der viel zitierten multiplen Krisen und den daraus resultierenden Reaktionen der Notenbanken gehörte das scheinbar ewige Wachstum auf den Immobilienmärkten der Vergangenheit an. Ein Forscherduo hat errechnet, welche geldpolitischen Maßnahmen welche Auswirkungen auf den Immo-Markt nach sich ziehen. oder die Größe bestimmen den Wert, sondern das gesamte Bündel an Charakteristika. Ausstattung, Baujahr, Infrastruktur - all diese Faktoren fließen ein. Über eine Regressionsanalyse werden zahlreiche Objekte verglichen, um herauszuarbeiten, welchen Preisanteil ein bestimmtes Merkmal ausmacht. Ein klassisches Beispiel: Zwei identische Wohnungen, doch eine hat einen Balkon. Die Wohnung mit Balkon wird teurer gehandelt, die Differenz spiegelt den impliziten Wert dieses Zusatzes wider. Solche Modelle helfen nicht nur, Qualitätsunterschiede herauszurechnen, sondern auch reine Preisbewegungen über die Zeit zu erfassen. Unterschiedliche Faktoren Für die vorliegende Studie wurde nun ein Modell auf verschiedene Standorte und Nutzungsformen angewendet. Berücksichtigt wurden Wohnfläche, Anzahl der Zimmer, spezifische Merkmale wie Keller oder Gästetoilette sowie strukturelle Faktoren wie Baujahr und Gebäudetyp. Im Mietsektor wurde zudem die Nebenkostenbelastung als Einflussgröße integriert. „In jeder Region weist die zugrunde liegende geschätzte Regression eine hohe Erklärungskraft auf. Für Hausverkäufe liegt das R2 zwischen 0,58 und 0,92, mit einem Durchschnitt von 0,76. Für Mieten sind die Werte ähnlich“, sagt Groiss. Um Verzerrungen durch Qualitätsunterschiede zu vermeiden, wurde der hedonische Index mit Zeit-Fixeffekten standardisiert - das bedeutet im konkreten Fall, dass der Ausgangspunkt im Januar 2007 liegt, was eine einheitliche Vergleichsbasis schafft. „Die exponentiellen Schätzungen der Zeit-Fixeffekte können als regionsspezifische Preisindizes für Verkauf und Miete interpretiert werden, jeweils relativ zum Januar 2007“, erklärt Groiss weiter. Während klassische Mietindizes sich meist auf Bestandsmieten stützen, konzentriert sich dieser Ansatz auf Neuvermietungen, wodurch Marktdynamiken laut Autoren präziser erfasst werden. Die Ergebnisse zeigen: Die Immobilienpreise in Deutschland sind in den Jahren expansiver Geldpolitik deutlich gestiegen. Nach der globalen Finanzkrise verzeichnete der Markt eine reale Preissteigerung von rund 70 Prozent zwischen 2010 und 2022. Die Mieten folgten diesem Trend mit Verzögerung und weniger stark. „Über diesen Zeitraum hinweg erlebte Deutschland einen beispiellosen Anstieg der Immobilienpreise, begleitet von einem moderaten, aber dennoch signifikanten Anstieg der Mieten“, rekapituliert Syrichas. Die enge Korrelation zwischen der Bilanzexpansion der Europäischen Zentralbank und der Preisentwicklung zeigt, wie stark geldpolitische Maßnahmen den Markt beeinflussen. „Das Verhältnis von Kaufpreisen zu Mieten hat sich bis zur geldpolitischen Umkehr 2022 erheblich ausgeweitet, was auf eine wachsende Segmentation zwischen Eigentums- und Mietmärkten hindeutet.“ Regionale Unterschiede sind dabei deutlich erkennbar. Urbane Wachstumsregionen wie Berlin, Bayern oder Süddeutschland verzeichnen überdurchschnittliche Preissteigerungen, während zentrale und ländliche Gebiete eine moderate Entwicklung Nº1/2025 | institutional-money.com money 147 THEORIE & PRAXIS | Geldpolitik und Immobilien aufweisen. Berlin und sein Umland sowie Teile Bayerns und Süddeutschlands zeigen die höchsten Wachstumsraten für Kaufpreise und Mieten, während einige zentrale Regionen kaum Mietsteigerungen verzeichnen. In hochverdichteten Städten sorgt ein begrenztes Angebot für zusätzlichen Preisdruck, während regulatorische Maßnahmen die Mietentwicklung dämpfen können. >> Sinken kurzfristige Zinsen, so steigen die Hauspreise sofort, aber vorübergehend. Unkonventionelle Instrumente haben eine nachhaltigere Wirkung. « Nicolas Syrichas, Freie Universität Berlin Zusätzlich zur Immobilienmarktanalyse wurden makroökonomische Indikatoren wie Inflation, Arbeitslosenquote und Zinsstrukturkurven einbezogen. Ebenso fanden Angebotsfaktoren wie Geodaten zur Landverfügbarkeit und Regulierungsmaßnahmen Berücksichtigung. „Wir erfassen regulatorische Maßnahmen wie die Einführung der Mietpreisbremse sowie weitere lokale Eingriffe durch systematische Auswertung administrativer Dekrete“, so Syrichas. Geldpolitik und ihre ... Und damit zum Einfluss geldpolitischer Impulse: Die Studie zeigt, dass eine Senkung des Schattenzinses um 0,24 Prozentpunkte die Immobilienpreise im ersten Jahr um 1,5 Prozent steigen lässt, nach 18 Monaten um 2,5 Prozent. Mieten reagieren weniger stark, überschreiten nie die Marke von einem Prozent und verlieren in der zweiten Hälfte des Prognosezeitraums an statistischer Signifikanz. Die Varianzzerlegung bestätigt die zunehmende Bedeutung geldpolitischer Impulse über die Zeit. Der Einfluss auf Immobilienpreise ist nach drei Monaten noch gering erreicht nach drei Jahren jedoch 5,6 Prozent der Prognosefehlervarianz. „Diese Muster legen nahe, dass die kurzfristige Wirkung geldpolitischer Maßnahmen begrenzt ist, sie jedoch mittel- bis langfristig eine bedeutende Triebkraft für die Dynamik auf den Immobilienmärkten darstellen“, erklärt Groiss. Die Analyse zeigt zudem, dass die Wirkung geldpolitischer Maßnahmen nicht nur über direkte Zinsanpassungen erfolgt, sondern auch über die Erwartungen der Marktteilnehmer. Niedrigere Leitzinsen führen zu einer Neubewertung künftiger Finanzierungskosten, was sich unmittelbar in höheren Immobilienbewertungen niederschlägt. Während anfängliche Preisanstiege auf verbesserte Finanzierungsbedingungen zurückzuführen sind, verstärken sich diese Effekte über die Zeit durch verstärkte spekulative Nachfrage und veränderte Investitionsentscheidungen institutioneller Marktteilnehmer. Immobilienmärkte reagieren somit nicht nur auf die gegenwärtige Zinspolitik, sondern auch auf deren antizipierte Entwicklung.
Ein weiterer Übertragungsmechanismus betrifft die Risikobewertung von Vermögenswerten. Sinkende Zinsen und expansive Liquiditätsbereitstellung führen zu einem veränderten Risikoprofil bei Investoren. In Phasen akkommodierender Geldpolitik steigt die Attraktivität von Immobilien als Anlageklasse relativ zu Anleihen, was eine Kapitalverlagerung in den Immobiliensektor zur Folge hat. Dies verstärkt Preisbewegungen zusätzlich und führt zu langfristigen Anpassungen im Marktgleichgewicht.
Zusätzlich beeinflussen geldpolitische Maßnahmen die Angebotsseite des Immobilienmarktes. Niedrigere Finanzierungskosten erleichtern Neubauprojekte und fördern die Expansion der Bautätigkeit. In Regionen mit hohen regulatorischen Hürden bleibt dieser Effekt jedoch begrenzt, sodass die Preisreaktion in solchen Märkten stärker ausfällt als Impulsmessung Leitzins Harmonisiert wurden Zinsänderungen, Zinsausblicke und monetäre Lockerungen. Basispunkte 25 20 15 Ausblick Notenbank Basispunkte 25 20 15 Quantitative Easing 10 5 0 -5 10 5 0 -5 Basispunkte 25 20 15 10 5 0 -5 -10 -10 -10 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 -15 20 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 -15 20 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 -15 -20 Die Autoren haben über den Berichtszeitraum die Impulse aus verschiedenen geldpolitischen Instrumentarien errechnet und harmonisiert und in weiterer Folge (siehe Chartbild „Geldpolitische Auslöser und ihre Auswirkungen auf den deutschen Immo-Markt“) die unterschiedlichen Auswirkungen der einzelnen Impulse auf den deutschen Immobilienmarkt berechnet. Quelle: Monetary Policy, Property Prices and Rents: Evidence form Local Housing Markets 148 money Nº 1/2025 | institutional-money.com FOTO: @ FREIE UNIVERSITÄT BERLIN THEORIE & PRAXIS | Geldpolitik und Immobilien in Gebieten mit flexiblerer Angebotsanpassung. Über die Zeit entstehen dadurch regionale Unterschiede in der Preisentwicklung, die wiederum die Stabilität des gesamten Marktes beeinflussen können. ... unterschiedlichen Instrumente Die Studie differenziert zudem zwischen konventioneller Geldpolitik, insbesondere Zinssenkungen, und unkonventionellen Maßnahmen wie quantitativer Lockerung (Anm .: QE, Quantitative Easing). Zinssenkungen reduzieren die kurzfristigen Finanzierungskosten für Immobilienkäufer und lösen unmittelbar eine verstärkte Nachfrage aus. Dies führt zu einem raschen, aber oft nur temporären Anstieg der Hauspreise, da sich die Märkte nach einer gewissen Zeit an das neue Zinsniveau anpassen. Zudem bleibt die Wirkung
begrenzt, da mit der Zeit andere makroökonomische Faktoren dominanter werden.
Im Gegensatz dazu entfaltet QE eine umfassendere und nachhaltigere Wirkung auf den Immobilienmarkt. Durch den Ankauf von Wertpapieren weitet die Zentralbank ihre Bilanz aus, senkt langfristige Zinsen und erhöht die verfügbare Liquidität im Finanzsystem. Dies begünstigt nicht nur direkte Immobilienfinanzierungen, sondern verschiebt auch Kapitalströme institutioneller Investoren hin zu Sachwerten, was zu anhaltendem Preiswachstum führt. Gleichzeitig verstärkt QE die Vermögenseffekte, indem steigende Immobilienwerte die Eigenkapitalbasis der Haushalte stärken und zusätzliche Investitionen ermöglichen.
„Eine Senkung der kurzfristigen Zinssätze führt zu einem sofortigen, jedoch vorübergehenden Anstieg der Hauspreise, während unkonventionelle Instrumente - insbesondere QE - zu nachhaltigem Preisanstieg und moderatem, aber beständigem Mietwachstum führen“, Syrichas (siehe Chartbild „Geldpolitik und ihre Auswirkungen auf den deutschen Immo-Markt“). Doch auch auf regionaler Ebene zeigen unterschiedliche EZB-Instrumente unterschiedliche Wirkung: Während in städtischen Märkten die Immobilienpreise unmittelbar auf geldpolitische Maßnahmen reagieren, erfolgt die Anpassung in ländlichen Regionen mit Verzögerung. Beide Regionen verzeichnen Preissteigerungen nach expansiven geldpolitischen Maßnahmen, jedoch variieren Timing und Intensität. Städtische Märkte reagieren schärfer und schneller, was auf restriktivere Angebotsbedingungen und elastischere Nachfrage hinweist. Mieten steigen hingegen in ländlichen Gebieten zügiger, was auf strukturelle Unterschiede hindeutet. Regulatorik sticht Geldpolitik Auch die Angebotsseite beeinflusst die Marktentwicklung. Während restriktive Bauvorschriften Preisreaktionen verschärfen, zeigt sich in Regionen mit hoher Neubautätigkeit ein gedämpfter Effekt. Die Verfügbarkeit von Bauland beeinflusst die Transmission geldpolitischer Maßnahmen nicht signifikant, wohingegen eine erhöhte Neubautätigkeit zu einer schnelleren und stärkeren Preisanpassung nach expansiver Geldpolitik führt. Die Mietpreisbremse dämpft hingegen gezielt den Einfluss geldpolitischer Lockerungen auf Mieten. „Diese Regulierung begrenzt die Weitergabe geldpolitischer Lockerungen auf das Mietniveau und verhindert stärkere Mietsteigerungen, während Hauspreise unbeeinflusst bleiben“, sagt Syrichas. HANS WEITMAYR Auslöser und ihre Auswirkungen auf den deutschen Immobilienmarkt Geldpolitische Die Reaktion von Mieten und Hauspreisen auf Zinssenkung, Aussicht auf Zinssenkung und geldpolitische Lockerung Leitzinsentwicklung 4 % 3 % IMMO-PREISE Ausblick Notenbank 4 % 3 % Quantitative Easing 4 % 3 % 2 % 2 % 2 % 1 % 1 % = 1 % 0 % 0 % 0 % 0 12 Monat 24 36 -1 % 0 12 Monat 24 36 -1 % 0 12 Monat 24 36 -1 % 4 % MIETEN 4 % 4 % Leitzinsentwicklung 3 % 2 % Ausblick Notenbank 3 % 2 % Quantitative Easing 3 % 2 % 1 % 1% 1 % 0 % 0 % 0 % 0 12 Monat 24 36 -1 % 0 12 Monat 24 36 -1 % 0 12 Monat 24 36 -1 % Gleichwertige Impulse zum Zeitpunkt null durch Leitzinsen, Zinsausblick und Quantitative Easing haben über die darauf folgenden 36 Monate unterschiedlich starke Auswirkungen auf Immobilienpreise und Mietkosten. So steigen die Immobilienpreise nach einer Zinssenkung zunächst um bis zu drei Prozent, der Effekt verpufft aber über 24 Monate und wird dann statistisch insignifikant. Quelle: Monetary Policy, Property Prices and Rents: Evidence form Local Housing Markets 150 money Nº1/2025 | institutional-money.com