Rubrik im PS: | Wirtschaftswissenschaften |
Autor: | Martin Weiske |
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Trotz Altenschulden-Hoffnung: Spardruck in Hagen wächst
Von Martin Weiske Redakteur Lokal
Wie brisant das Thema Altschulden der Städte für das Leben in Deutschland inzwischen geworden ist, wird allein dadurch sichtbar, dass sich sogar schon die Karnevalisten der Thematik angenommen haben. © dpa | Federico Gambarini
Hagen. Hagens Kämmerer erklärt, wie Hagen seine Kredite an das Land abgeben kann. Städte hoffen jetzt auf ein Signal aus der Hauptstadt.
Die Finanzlage in bleibt weiterhin dramatisch. Darauf hat zuletzt Kämmerer Bernd Maßmann im Haupt- und Finanzausschuss der Hagener Politik noch einmal nachdrücklich eingeschworen. Doch zugleich zeigte er Perspektiven auf, wie die zumindest vom Land Nordrhein-Westfalen zuletzt in Aussicht gestellte Altschuldenlösung der Stadt zumindest ein wenig Entlastung bei der zunehmend erdrückenden Zinsbelastung verschaffen könnte.
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Der neue Finanzdezernent sprach beim Hagener Jahresabschluss für 2024 von einer Punktlandung. Doch was zunächst nach einer guten Nachricht klingt, bedeutet tatsächlich, dass das Defizit - wie erwartet - um 39 Millionen Euro gestiegen ist. Zwar sind die Gewerbesteuereinnahmen um 13 Millionen Euro besser gesprudelt als ursprünglich erwartet. Doch diese Mehrerträge wurden allesamt von steigenden Sozial- und Personalkosten wieder aufgefressen.
Kämmerer Bernd Maßmann (CDU) macht deutlich, dass die Zeit der Sparanstrengungen in Hagen noch längst nicht vorbei ist. © WP | Michael Kleinrensing
Einbruch bei den Steuern
Eine Entwicklung, deren Wiederholung sich auch für das laufende Haushaltsjahr abzeichnet: Der Sozial- sowie der Personaletat wurden für 2024 offenkundig viel zu niedrig angesetzt, aber parallel brechen diesmal obendrein die Gewerbesteuereinnahmen, die mit 136 Millionen Euro angesetzt sind, ein. Vor diesem alarmierenden Hintergrund betonte Maßmann angesichts des vom neuen Rat zu verabschiedenden Doppelhaushalts 2026/27, dass weitere Sparanstrengungen nötig seien, um den von der Kommunalaufsicht bis zum Jahr 2031 geforderten Haushaltsausgleich überhaupt hinzubekommen.
Hier hat die Landesregierung angekündigt, die Hälfte der offenen Liquiditätskredite (städtischer Dispo) übernehmen zu wollen. Das sind angesichts eines NRW-Gesamtvolumens von etwa 18 Milliarden Euro also 9 Milliarden Euro, die über 30 Jahre mit 250-Millionen-Euro-Jahresraten getilgt werden sollen. "Dazu werden wir die Kredite direkt an das Land übergeben", skizzierte Maßmann das Vorgehen.
NRW-Heimat- und Kommunalministerin hat mit der landesfinanzierten Hilfe für die hoch verschuldeten Städte ein wichtiges Zeichen gesetzt. © dpa | Bernd von Jutrczenka
1500 Euro Schulden pro Kopf
Grundsätzlich ist der Plan des Landes, die Pro-Kopf-Verschuldung pro Einwohner auf 1500 Euro herunterzuschrauben. Aktuell liegt dieser Wert in Hagen bei stolzen 4350 Euro pro Bürger. "Daraus ergibt sich eine Schuldenübernahme von 2850 Euro pro Einwohner, was in diesem Fall einer Entlastung von 542 Millionen Euro entspricht", rechnete der Kämmerer vor. Die Übernahmequote des Landes liegt somit für Hagen bei 65,5 Prozent, was über dem Durchschnitt von 50 Prozent liegt. Ähnlich privilegiert werden ebenfalls notleidende Städte wie Oberhausen, Mülheim und Remscheid entlastet.
Grundsätzlich kann die Teilnahme an der Altschuldenregelung erst drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes beantragt werden. Dennoch plant Maßmann, frühzeitig einen Fuß in die Tür zu bekommen, um möglichst zügig die Zinskosten zu reduzieren. "Ein Ratsbeschluss kann bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes erfolgen", informierte er die Politik und setzte auf Tempo. Da viele Kommunen ihre Kredite abgeben wollten, zähle jetzt jede schnelle Entscheidung. Ein Vorteil sei der vorausgesetzte Jahresabschluss 2023, welcher in Hagen bereits vorliege, während andere Kommunen diesen nachbessern müssten. Zudem sei ein Wirtschaftsprüfer-Testat erforderlich.
Die ersten Zinsersparnisse sind ab 2026 zu erwarten - allerdings werden diese kaum ausreichen, um die Haushaltslage grundlegend zu verbessern. Entsprechend seien weitere Konsolidierungs- und Sparbemühungen unvermeidbar, betonte der Kämmerer, sodass der Bürger eine neue Beinfreiheit kaum zu spüren bekommen dürfte.
Bund bleibt gefordert
Zuletzt war aus Verhandlungskreise eher zu hören ist, dass die lange versprochene und unter der Rest-Ampel-Koalition vor kurzem zum Gesetzesentwurf gereifte Regelung fallengelassen werden könnte. Bundesfinanzminister Jörg Kukies hatte im Januar eine Vorlage für eine Grundgesetzänderung ins Bundeskabinett eingebracht, die eine kommunale Altschuldenlösung ermöglicht. Durch diese würde der Bund bei Beteiligung der Länder die Hälfte der kommunalen Altschulden übernehmen.
Jacques Tilly präsentierte beim Karneval 2025 einen Wagen für das Aktionsbündnis "Für die Würde unserer Städte". © Stadt Hagen | Aktionsbündnis Für die Würde unserer Städte
"Eine neue Regierungskoalition muss sicherstellen, dass diese beschlossene Vorlage schnellstmöglich mit den notwendigen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat verabschiedet wird", fordert daher das Aktionsbündnis "Für die Würde unserer Städte", zu dem auch Hagen zählt. Wird die Altschulden-Lösung nun fallengelassen, wäre das für die Kommunen in einer ohnehin schon angespannten Lage ein heftiger Rückschlag. Zugleich würde das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat und seine Handlungsfähigkeit erneut erschüttert, so das Aktionsbündnis.
Druck auf Kommunen steigt
Eine Kommission des Parlaments habe die Verantwortung des Bundes für die Altschulden klar herausgearbeitet. Deshalb gab es in den beiden vorherigen Koalitionsverträgen die klare Zusage, dass der Bund die Hälfte der Lasten übernehme. "Die Altschulden der Städte und Gemeinden sind entstanden, weil Bundes- und Landesgesetze, die die Kommunen ausführen müssen, nicht auskömmlich finanziert sind. Um einen Kollaps der Städte zu verhindern, müssen die Koalitionäre das Thema der Altschulden jetzt im Koalitionsvertrag regeln", sagt Martin Murrack, Sprecher des Aktionsbündnisses für die Würde unserer Städte sowie Kämmerer und Stadtdirektor aus Duisburg.
Martin Murrack, Sprecher des Aktionsbündnisses für die Würde unserer Städte, appelliert in Richtung Berlin, sich endlich an einer Altschuldenregelung zu beteiligen. © Universität Duisburg-Essen | Alexandra Roth
Die Kommunen hätten ein sehr schwieriges Jahr hinter sich und befürchteten für die nächsten Jahre weitere Verschlechterungen. Die Sozialkosten seien 2024 nicht bloß in Hagen stark gestiegen, die Kommunen müssten wieder neue Kredite aufnehmen, um Pflichtaufgaben zu erfüllen. Die Altschulden liegen bundesweit inzwischen bei 35 Milliarden Euro. Daher brauche es zwingend die Beteiligung des Bundes, damit die Kommunen einen entscheidenden Teil der gewaltigen Last verlieren. "Wenn die Lösung jetzt nicht kommt, wird das viele Geld aus den Sondervermögen verpuffen. Das merken die Bürgerinnen und Bürger an Straßen, Schulen, Kitas und hohen Gebühren, Steuern und Abgaben vor Ort", warnt Murrack.