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Haller Tagblatt vom 07.02.2025, S. 28 (Tageszeitung / täglich außer Sonntag, Schwäbisch Hall)

       
Rubrik im PS:Print
Autor:ina, adm, mst
Auflage:12.829
Reichweite:29.892
Ressort:Wirtschaft Regional

Appelle an stärkeres Auftreten von EU und Deutschland gegenüber den USA

Gipfeltreffen Trotz Zukunftssorgen um den Standort Deutschland erhielten die mehr als 700 Gäste zahlreiche Impulse für einen positiven Blick nach vorne. Die aktuelle Politik beherrschte die Diskussionen. Von Adina Bauer, Antonio De Mitri und Marius Stephan

Mit einem "politischen Doppelwumms" ist dank des Impulsvortrags von Cem Özdemir das 15. Gipfeltreffen der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall am Dienstagnachmittag gestartet. Initiator Walter Döring versprach dabei den Gästen: "Hier in Schwäbisch Hall erwartet Sie nicht nur Schwarzmalerei, sondern Zuversicht." Das Land hat laut dem ehemaligen Wirtschaftsminister auch weiterhin Grund für Optimismus, immerhin habe das Land Baden-Württemberg nach wie vor die meisten Weltmarktführer und Hidden Champions.

Mehr Optimismus forderte eingangs auch Horst von Buttlar, Chefredakteur des Veranstalters Wirtschaftswoche: "Aktuell spürt man eine große Sehnsucht nach der Vergangenheit. Es braucht aber mehr Lust auf die Zukunft." Daran solle die Politik arbeiten. Insgesamt stand die Auftaktveranstaltung des Gipfeltreffens ganz im Schatten der nahenden Bundestagswahl. Dabei zogen sich durch alle Vorträge immer wieder einige Forderungen wie ein roter Faden: weniger staatlichen Direktionismus – die Politik soll die Unternehmen einfach machen lassen; mit der gleichen Leidenschaft, die aktuell das Thema Migration erfährt, soll an der Beendigung der wirtschaftlichen Stagnation gearbeitet werden; und es braucht eine Einigung unter den demokratischen Parteien, um dem Zuwachs der AfD Einhalt zu gebieten.

Ruf nach einer Wirtschaftswende

Dieser rote Faden zog sich auch am zweiten Tag des Gipfeltreffens durch die Redebeiträge und Diskussionen. Kristin Seyboth vom Vorstand der Bausparkasse Schwäbisch Hall beklagte die fehlenden "gemeinsamen positiven Visionen für Deutschland". Sie appellierte an Politik und Wirtschaft, "wieder unsere Stärken zu stärken", damit sich Deutschland in den kommenden zehn Jahren mit Zuversicht weiterentwickeln könne. Deutlicher wurde Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Lobbyistenvereins der Familienunternehmer. Sie forderte eine Wirtschaftswende, die das Land "wieder attraktiv für Unternehmen macht, die etwas leisten wollen". Laut einer Mitgliederumfrage wollen 40 Prozent der international tätigen Familienunternehmer nicht mehr in Deutschland investieren. Ostermann: "Das ist eine desolate Lage. Es muss jetzt etwas passieren." Mit Blick auf die aktuellen globalen Herausforderungen mahnte sie an, dass Europa an seiner eigenen Wettbewerbsfähigkeit festhalten müsse. "Wir brauchen Freihandel statt Protektionismus."

Ähnlich äußerte sich die deutsch-amerikanische Politologin Cathryn Clüver Ashbrook, Expertin für transatlantische Beziehungen bei der Bertelsmann-Stiftung. Die EU solle stärker für ihre Interessen einstehen und sich "nicht von Trump spalten lassen", sagte sie und fügte hinzu: "Trumps Zollpolitik verursacht vor allem beim Mittelstand ein Schleudertrauma – auch in den USA selbst."

"Zusammenarbeit mit Trump ist möglich"

Der aus Berlin zugeschaltete Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) plädierte für ein Handelsabkommen zwischen EU und USA. "Bevor wir reflexartig auf Trumps Vorstöße reagieren, sollten wir erst einmal die Möglichkeiten der künftigen Zusammenarbeit besprechen." Ein vom US-Präsidenten angezettelter Handelskrieg sei auch nicht im Interesse der amerikanischen Wirtschaft. Apropos amerikanische Wirtschaft: Auch die Milliarden-Investition der US-Regierung in das Stargate-Programm zur Stärkung der KI-Forschung in den USA war Thema auf dem Gipfeltreffen. Der Geschäftsführer des Innovation Park Artificial Intelligence (IPAI) Moritz Gräter appellierte, die Chancen zu erkennen, die sich böten. Der deutsche Mittelstand könne einer der großen Profiteure der KI-Revolution sein. Viele Unternehmen nähmen das Thema jedoch nicht ernst genug. "Gleichzeitig sehen wir, dass in anderen Ländern nicht nur eine große Ernsthaftigkeit bei dem Thema vorherrscht, sondern auch riesige Ambitionen und eine ganz große Investitionsbereitschaft." Hier gelte es, den Anschluss nicht zu verlieren.

Und auch die Podiumsdiskussion zu Frauen in Führungspositionen streifte den neuen alten US-Präsidenten kurz: Dieser postuliere zwar immer traditionelle männliche Ideale, leiste sich aber trotzdem eine weibliche Stabschefin. Nicole Razavi, Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, Baden-Württemberg: "Ohne Frauen geht es gar nicht mehr". Aber: "Diese müssen auch wollen!"


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