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Auflage: | 10.659 |
Reichweite: | 63.954 |
Ressort: | Einzelhandel |
"In B- und C- Städten sehen wir enorme Verkaufsabsichten"
Marktlage. Geschäftshäuser in Großstädten aus der zweiten Reihe stehen bei deutschen institutionellen Investoren auf der Verkaufsliste. "Man kann schon fast von einer Deinvestitionswelle sprechen", sagt Sarah Hoffmann, Head of Retail Investment Germany bei JLL. Die Nachfrage nach handelsgeprägten Innenstadt-Immobilien in B- und C-Städten kommt derzeit von Privaten und aus dem Ausland, zum Beispiel Frankreich.
Immobilien Zeitung: Frau Hoffmann, Sie beobachten zwei gegenläufige Entwicklungen im Investmentmarkt für innerstädtische Geschäftshäuser. Welche sind das?
Sarah Hoffmann: Wir erleben einen Run auf die Top-Lagen in A-Städten ohnegleichen, aus dem Inland und aus dem Ausland. Ich würde sogar sagen, das ist die Assetklasse mit dem größten Überraschungspotenzial, was die Höhe der Kaufpreise betrifft. Anders ist die Situation jenseits der Top 7. In B- und C-Städten erleben wir eine enorme Zunahme von Verkaufsabsichten. Wir bekommen mehrere Anfragen in der Woche und das bundesweit. Hier ist ein klarer Trend erkennbar. Man kann schon fast von einer Deinvestitionswelle sprechen. Vor allem kleinere Häuser in der Größenordnung 5 Mio. bis 20 Mio. Euro stehen zum Verkauf. Verkäufer sind vor allem institutionelle Investoren aus Deutschland.
IZ: Welche Städte stehen auf der Verkaufsliste?
Hoffmann: Städte im Norden wie Kiel, Neumünster oder Flensburg, Städte in NRW, aber auch in Süddeutschland, etwa Nürnberg. Ich könnte auch Leipzig, Dresden oder Kassel nennen. Aber eigentlich zieht sich dieser Trend quer durch ganz Deutschland.
IZ: Transaktionen von innerstädtischen Geschäftshäusern gab es in den letzten Monaten auch in Gelsenkirchen, Bochum, Krefeld, Braunschweig, Cottbus und Kiel.
Hoffmann: Richtig. Nicht immer waren die Verkäufer institutionelle, aber häufig. Die Käufer kamen eher aus dem privat geprägten Segment. Die genannten Städte tun sich im derzeitigen Marktumfeld bei institutionellen Käufern schwer. Anders Mannheim, Nürnberg, Dresden oder Rostock. Da gibt es kaum Leerstände in den Bestlagen, die Innenstädte sind weitestgehend in Ordnung. Bei diesen Städten kann ich mir durchaus vorstellen, dass institutionelles Kapital in zwei bis drei Jahren den Weg zurück in die Zentren findet.
IZ: Was sind die Gründe für die Verkäufe von institutionellen Investoren in B- und C-Städten?
Hoffmann: Die Ankaufsliquidität institutioneller Investoren ist immer noch eingeschränkt und in den A-Städten sind Angebote zu attraktiven Preisen verfügbar. Daher geht die Nachfrage derzeit eher in die Metropolen, steigende Ankaufsvolumen in den Top 7 belegen dies. In den Großstädten erwarten Institutionelle auch einen robusteren Mietmarkt, bis hin zu Mietsteigerungen.
IZ: Bedeutet das, dass B- und C-Städte nicht mehr attraktiv sind?
Hoffmann: Nein, aber das institutionelle Kapital zieht sich dennoch zurück. An seine Stelle treten semi-professionelle Immobilienanleger oder private Investoren mit einer starken Bindung an eine bestimmte Stadt oder Region. Interessanterweise schauen sich auch französische institutionelle Investoren gerade gerne deutsche Innenstädte an, vor allem die B-Städte mit guter Substanz. Mit französischen Investoren meine ich vor allem die SCPI-Fonds. Gerade hat ein SCPI-Fonds das Kugelhaus in Dresden erworben (siehe Kastentext). Von diesen Beispielen werden wir noch mehr sehen.
IZ: Investieren auch Händler?
Hoffmann: Ja. Wir sehen Nachfrage von Eigennutzern wie Textilhändlern, Drogeriemärkten, Hörgeräte- oder Brillen-Filialisten. Händler kaufen Immobilien für die Eigennutzung, aber auch als Kapitalanlage.
IZ: Wie sehen Sie Bremen?
Hoffmann: Es gab eine Phase, da habe ich mich gefragt: Was passiert in dieser Stadt? Jetzt aber gibt es eine deutliche Aufvermietung in der Ia-Lage. Bremen stabilisiert sich, der Mietmarkt ist solide. Wir sehen auch eine klare Investitionsbereitschaft, von der Stadt selbst und von einheimischen Investoren.
IZ: Regensburg?
Hoffmann: Die Altstadt ist unglaublich nett, gemütlich und charmant. Schöne Gastronomie, ein hoher Grad an individuellen Handelskonzepten. Dennoch wird es Regensburg schwer haben, institutionelles Kapital anzuziehen. In meinen Augen ist die Stadt eher etwas für private oder semi-institutionelle Investoren. Das muss nicht schlecht sein. Im Gegenteil. Häufig haben diese Investoren eine größere Verbundenheit mit einer Stadt und zeigen als Eigentümer mehr Engagement.
IZ: Wo liegt das Preisniveau in B- und C-Städten?
Hoffmann: Die Spreizung ist groß. Wir sehen Faktoren von um die zehn für etablierte Häuser, aber auch 20fach und mehr für Objekte in guten Mittelstädten. Pauschale Aussagen sind aber schwer. Es kommt stark auf den Zustand der Immobilie an und wie sich das Umfeld entwickelt.
IZ: Kommen die Institutionellen irgendwann zurück?
Hoffmann: Meine These ist: Ja. Gute Innenstädte mit einem hohen Filialisierungsgrad haben eine gute Chance, in den nächsten Jahren wieder auf den Einkaufslisten von deutschen, institutionellen Investoren zu stehen. Aber dieser Verkaufsprozess, von dem ich spreche, diese Deinstitutionalisierung von B- und C-Städten, wird jetzt erst einmal 24 Monate dauern. Dies betrifft vor allen Dingen kleinere Häuser, die im Asset-Management aufwendig sind, bei denen kurzfristige ESG-Maßnahmen nötig sind oder Mietvertragsverhandlungen anstehen. Diese Aufgaben werden tendenziell gescheut, lieber werden Kapazitäten und Kapital auf größere Liegenschaften in den A-Städten gelegt.
IZ: Sie waren neulich als Gast beim "Gipfeltreffen der Weltmarktführer" in Schwäbisch Hall, einer Veranstaltung mit den Inhabern vieler sogenannter Hidden Champions. Was haben Sie dort für Ihren Markt, die Handelsimmobilien, mitgenommen?
Hoffmann: Zunächst einmal war ich beeindruckt, auf welchem Niveau einige mittelständische Unternehmen in Deutschland arbeiten. Beeindruckend war auch, was der Mittelstand in der Lage ist zu bauen. Wir waren zu Gast im Würth-Forum. Das hat wirklich alles eine extrem hohe Qualität. Und mir ist klar geworden, wie wichtig der Erfolg dieser Unternehmen für die wirtschaftliche Entwicklung der Städte in der jeweiligen Region ist.
IZ: Sind diese Hidden Champions bzw. die dahinterstehenden Familien auch potenzielle Kunden für Innenstadt-Immobilien?
Hoffmann: Ja, aber das Interesse richtet sich meist auf die Städte oder Regionen, in denen diese Firmen oder Familien ansässig sind.
IZ: Sie sagen, die Schwäche des deutschen Handels sei die Intransparenz der KPIs (Key Performance Index). Was meinen Sie damit?
Hoffmann: Die Mietverträge von Innenstadtimmobilien weisen anders als in Einkaufszentren selten die Verpflichtung zur Umsatznennung aus. Für Vermieter ist es schwer einzuschätzen, ob ein Einzelhändler nachhaltig am Standort funktioniert oder nicht. Bestandshaltern fehlt häufig der Vergleich bzw. die Skalierung im eigenen Portfolio.
IZ: Wie meinen Sie das?
Hoffmann: Wenn ein Eigentümer nur einen H&M- oder einen TK-Maxx-Vertrag hält, fehlen Referenzpunkte. Man kann bei Mietvertragsverhandlung auch keine Pakete schnüren. Ich kann mir darum gut vorstellen, dass Innenstadt-Investments künftig stärker über professionalisierte Investmentmanager laufen. Ähnlich wie im Fachmarktsegment.
IZ: Sie meinen, Firmen wie GPEP, GRR oder Habona wird es bald auch für die Highstreet geben?
Hoffmann: Ich möchte keine Namen nennen. Was man aber sagen kann: Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) ist in Deutschland als Oligopol organisiert. Den LEH-Firmen stehen auf der anderen Seite aber breit aufgestellte Investment- bzw. Asset-Manager gegenüber. Diese verhandeln für das indirekt investierte Kapital Mietverträge mit einer viel höheren Marktdurchdringung als Eigentümer, die nur wenige LEH-Standorte haben. Ähnliche Konstruktionen kann ich mir auch gut in der Highstreet vorstellen.
IZ: Frau Hoffmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Christoph von Schwanenflug.
"Die Nachfrage geht derzeit eher in die Metropolen"
"Beeindruckend, was der Mittelstand bauen kann"
"Investmentmanager für Innenstadt-Immobilien"
Schirmschutz statt Schutzschirm: Einkaufsstraße in Timisoara (Rumänien). Urheber: Stefan Laube
"Französische Investoren schauen sich gerne deutsche Innenstädte an." Sarah Hoffmann Quelle: JLL