Westdeutsche Allgemeine WAZ, Essen vom 01.04.2025, S. 3 (Tageszeitung / täglich außer Sonntag, Essen)
Rubrik im PS: | Universitätsallianz Ruhr / Research Alliance Ruhr |
Autor: | Thomas Mader |
Auflage: | 21.434 |
Reichweite: | 49.941 |
Ressort: | Region |
Nach USA? Schüler und Studierende sorgen sich
Austauschprogramme melden, dass erste Schüler nach Kanada ausweichen. Aber wird es einen Trump-Knick geben?
Von Thomas Mader
Ruhrgebiet Willkür bei den Einreisekontrollen, Touristen im Abschiebeknast, der Feldzug gegen Universitäten und Diversität, ein konfrontatives Gesellschaftsklima, das politisch motivierte Gewalttaten möglich erscheinen lässt: Die Lage in den USA ist ernst. Aber ist sie so ernst, dass man die geplante Austauschreise absagen sollte? Das ist die Frage, die derzeit alle Betroffenen umtreibt: Schüler und Studenten sowie ihre Eltern, Wissenschaftler und natürlich die Organisatoren der Austauschprogramme.
"Alle beobachten die Lage und rechnen damit, dass die wissenschaftsfeindliche Politik der USA Auswirkungen auf Kooperationen haben könnte", erklärt Jens Wylkop, Sprecher der Ruhr-Uni Bochum. Das sei auch die Einschätzung des Verbindungsbüros der Universitätsallianz Ruhr (der auch die Unis Essen-Duisburg und Dortmund angehören). Aber, so sagt Wylkop: "Es ist noch zu früh, um das genaue Ausmaß abzuschätzen."
Mit keinem Land sind die deutschen Schulen und Hochschulen so verflochten wie mit den USA. Allein die Technische Universität Dortmund unterhält Kooperationen mit 27 Hochschulen zwischen New Jersey und Berkeley. Die Uni Bochum zählt 17, Essen-Duisburg immerhin sieben Partner-Unis.
Auch für den Schüleraustausch sind die USA mit weitem Abstand das beliebteste Ziel. 4700 Reisen in die Vereinigten Staaten zählte die Weltweiser-Studie zuletzt (Gruppenreisen und von Schulen selbst organisierte Projekte nicht eingerechnet). Das sind doppelt so viele wie nach Kanada, das auf dem zweiten Platz steht, und Großbritannien als beliebtestes europäisches Ziel kommt auf nicht einmal 900.
Probleme bei der Einreise
"Wir sind mit dem Auswärtigen Amt im Kontakt und beobachten die Lage intensiv und täglich", erklärt auch Anne von Fircks für den Arbeitskreis gemeinnütziger Jugendaustausch (AJA), über den etwa jede fünfte Austauschreise läuft. Das Amt hat seine Sicherheitshinweise angepasst: "Vorstrafen in den USA, falsche Angaben zum Aufenthaltszweck oder eine auch nur geringfügige Überschreitung der Aufenthaltsdauer bei Reisen können bei Ein- beziehungsweise Ausreise zu Festnahme, Abschiebehaft und Abschiebung führen", heißt es nun. Und wie bisher: "Es besteht weiterhin eine erhöhte Gefahr politisch motivierter Gewalt."
Hintergrund sind mindestens drei Fälle, in denen Deutsche scheinbar willkürlich festgenommen und zum Teil abgeschoben wurden – obwohl alle Papiere in Ordnung waren. Fabian Schmidt etwa lebt seit 2007 in den USA, vor etwa zwei Wochen wurde der Green-Card-Inhaber nach einer Luxemburgreise inhaftiert. Ein altes Drogendelikt könnte der Hintergrund sein. Schmidt war zehn Jahre zuvor mit Cannabis erwischt worden, der Fall wurde damals eingestellt. Das Auswärtige Amt weist darauf hin: "Die endgültige Entscheidung über die Einreise trifft der US-Grenzbeamte... Gegen dessen Entscheidung gibt es keinen Rechtsbehelf."
Gibt es mehr Stornierungen?
"Die USA sind nach wie vor sehr beliebt. Einige Schülerinnen und Schüler weichen in Richtung Kanada aus", erklärt Anne von Fircks. "Diesen Trend konnten wir auch schon in der ersten Amtszeit von Trump beobachten." Es gehe aber nur um wenige Prozentpunkte.
Solche Anzeichen können die Unis im Ruhrgebiet noch nicht erkennen, noch haben keine Studierenden abgesagt. Und "Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler pflegen meist etablierte Kontakte", erklärt eine Sprecherin der Uni Duisburg-Essen. "Hier konnten wir bisher auch keinen Rückgang des Interesses wahrnehmen."
Auch Mike Pilewski sieht noch keinen Trendwechsel. Seit zehn Jahren organisiert er den Studentenaustausch des Verbandes der Deutsch-Amerikanischen Clubs (VDAC): "Die Studierenden, die wir im August in die USA schicken, hatten sich vor der Wahl beworben." Wer gerade in den USA ist, sei "auf ihren Alltag fokussiert und haben bis jetzt nichts Negatives gemeldet".
Ein echtes Problem haben Menschen mit dem Geschlechtseintrag "divers". Das Akademische Auslandsamt der Uni Duisburg-Essen weist bei seinen Beratungen darauf hin, dass dies bei Visa-Anträgen zur Nicht-Bearbeitung führt. Die Schüler-Organisation AJA rät nicht grundsätzlich ab, erklärt Anne von Fircks. "Wir beraten individuell und wägen sorgfältig ab, welche Herausforderungen es geben könnte."
Gibt es Probleme in den USA,weil Gelder gekürzt wurden?
Die Trump-Regierung hat massiv Gelder für Forschungsprojekte und Stipendien gestrichen und behält auch Bundesmittel einzelner Unis ein, um Forderungen durchzudrücken. So strich Trump der Columbia University 400 Millionen Dollar, weil angeblich jüdische Studenten nicht ausreichend geschützt würden. Allerdings will Trump auch, dass die Uni keine Minderheiten mehr fördert. Weitere fünf Milliarden Dollar werden als Druckmittel eingesetzt. Inzwischen schwenkte die Uni auf Regierungslinie ein.
Wie sich die Kürzungen auswirken, könne man noch nicht sagen, meint Mike Pilewski. "Aber mehrere US-Hochschulen haben bereits in den letzten Jahren Austauschprogramme wie unsere gekündigt oder eingeschränkt." Gleichzeitig seien die Studiengebühren massiv angehoben worden. Dies mache ein Jahr im Ausland für amerikanische Studierende weniger attraktiv. Trotzdem gebe es aktuell wieder deutlich mehr Bewerbungen aus den USA.
Schulen organisieren Austauschreisen auch unabhängig mit ihren Partnerschulen. Hierüber gibt es keinen Überblick, aber Berichte von Absagen. So sollen mehrere Bonner Gymnasien ihre längst geplanten Reisen abgesagt haben, meldet der Bonner Generalanzeiger. Den Partnerschulen seien die Mittel stark gekürzt worden.
Solche Fälle kennt man beim AJA auch nur aus den Medien. Allerdings befindet sich der Austausch mit den USA seit 15 Jahren im Sinkflug, wahrscheinlich weil Lebenshaltungskosten und Schulgebühren in den USA stark gestiegen sind. Früher reisten mehr als 8000 Schüler im Jahr in die USA, heute nur noch etwas mehr als die Hälfte.